Das Böse im Blut: Roman (German Edition)
zusammengeschmolzen, als die Kunde von General Winfield Scotts Landung bei Veracruz und der Unterwerfung der Stadt nach amerikanischem Beschuss kam. Als er die Nachricht erfuhr, war Dominguez sehr erfreut. Jetzt würde der Vormarsch der Yankees auf Mexiko-Stadt durch seine Patria chica stattfinden, der Region seiner Geburt und Kindheit, durch die unteren Gebirgsketten der Sierra Madre, die er so gut kannte wie seine Westentasche. Die amerikanischen Nachschubzüge würden Scott hinauf in das zerklüftete Hochland folgen müssen, wo das Reisen beschwerlich war. Es war in den Bergen viel leichter, sie zu überfallen und den Verfolgern zu entkommen, als in Nuevo León.
»Da in den Bergen«, erzählte er Edward, »nie uns sie werden fangen. Ich kenne
viele
gute Verstecke en esas montañas.« Auch die mexikanischen Handelszüge waren dort leichter zu überfallen, weil jeder mexikanische Soldat für die Verteidigung gegen Scott gebraucht wurde und längst nicht mehr so viele zur Bewachung der Transporte abbeordert werden konnten.
Die ganze Bande war glücklich darüber, nach Süden zu ziehen. An jenem Abend saßen sie in Hochstimmung um das Hauptfeuer und tranken Mescal, und jeder legte fünf Pesos in einen Hut, die derjenige, der die beste Geschichte erzählte, gewinnen sollte. Edward tat etwas in den Hut, verzichtete aber darauf, eine Geschichte zum Besten zu geben. Die meisten Geschichten waren moralisch-belehrender Natur, und die Compañeros hörten sie sich mit nickender Zustimmung an. Die beste Geschichte kam vom ältesten Mitglied des Haufens, einem Graubart namens Lorenzo, der ein Onkel von Manuel Dominguez war. Er sagte, die Geschichte sei ihm vor vielen Jahren von seinem Großvater in Puebla erzählt worden, der sie von seinem spanischen Großvater in Guanajuato gehört hatte, der sie wiederum von einem englischen Bergwerksbesitzer hatte. In seiner Geschichte ging es um drei Banditen, die eines Abends am Straßenrand auf einen alten Mann trafen und beschlossen, ihn zum Vergnügen zu töten. Der Alte war bloß Haut und Knochen und sah aus, als wäre er bereit fürs Grab, doch er flehte um sein Leben. Er sagte, wenn sie ihn verschonten, würde er ihnen verraten, wo er eine Schatulle voller Gold versteckt hatte. Die Banditen grinsten und zwinkerten einander zu und sagten, na gut, und der Alte beschrieb ihnen den Weg zu einem Hügel einige Meilen entfernt und sagte ihnen, das Gold sei oben auf dem Hügel unter dem höchsten Baum vergraben. Die Banditen dankten ihm und töteten ihn trotzdem. Und dann, weil sie nichts Besseres zu tun hatten, suchten sie den Hügel, von dem er ihnen erzählt hatte, und gruben unter dem höchsten Baum und waren erstaunt, eine große Schatulle voller Gold zu entdecken, genau wie der Alte gesagt hatte. Sie lachten und umarmten sich und tanzten umher und sangen, dass sie reich seien. Doch das Gold war zu schwer, um alles auf einmal fortzutragen, und so beschlossen sie, dort zu übernachten und sich am Morgen zu überlegen, wie sie den Schatz an einen sichereren Ort schaffen konnten. Die zwei älteren Banditen schickten den jüngsten zurück in die Stadt, um eine Flasche Tequila zu holen, mit der sie ihr Glück feiern und sich gegen die Nachtkälte schützen wollten. Während der Junge fort war, besprachen sich die beiden und kamen überein, dass es viel sinnvoller sei, das Gold durch zwei zu teilen anstatt durch drei, und als der Junge mit dem Tequila aus der Stadt zurückkam, töteten sie ihn. Dann entkorkten sie die Flasche und tranken auf ihre reiche Zukunft, und jeder nahm einen tiefen Schluck. Beide verspürten auf einmal große Schmerzen im Bauch, und sie brachen zusammen und starben an dem Gift, das der Junge in den Tequila gemischt hatte, nachdem er in der Stadt beschlossen hatte, dass er das ganze Gold für sich allein haben wollte.
Die Compañeros lachten über die tiefsinnige Wahrheit dieser Geschichte und spendeten energisch Beifall. Einige wiesen auf andere und sagten: »Esos tontos eran exatamente como tú!« Und jene, auf die gedeutet wurde, gaben sich erstaunt und sagten: »Como
yo
? Carajo! Como
tú
!«
Am Morgen waren sie vor Sonnenaufgang auf ihren Pferden und ritten auf einem alten Burro-Pfad Richtung Süden, in sicherem Abstand von der Hauptstraße und den Gringo-Army-Patrouillen, die dort entlangstreiften.
23 Südöstlich von Linares kamen sie über eine niedrige sandige Anhöhe und erspähten eine halbe Meile vor ihnen zwei große Planwagen. Ein steifer Wind
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