Das Böse in dir
handelt?«
»Nein, aber mein Partner kümmert sich gerade darum. Ich muss ihm Bescheid geben.«
Ich ging ein paar Schritte von der Terrasse weg, holte mein Telefon heraus und wählte Buds Nummer. Er meldete sich nach dem zweiten Läuten. Ich sprach leise und behielt dabei Khur-Vay und Li He im Auge, damit sie sich nicht aus dem Staub machten. Inzwischen telefonierte Khur-Vay ebenfalls.
»Wo bist du, Bud?«
»Ich stehe vor dem Haus von Mel Baxters Eltern. Sie haben keine Ahnung, wo sie steckt. Sie haben sie nicht hier erwartet, und die Hochzeit einer Cousine hat es nie gegeben. Sie haben seit zwei Wochen nichts von ihr gehört. Und jetzt kommt es: Sie haben sie mit fünfzehn aus China adoptiert, und sie ist in Oak Haven behandelt worden.«
»Ich glaube, sie ist unser Opfer im Ofen.«
»Durchaus möglich.«
»In diesem Fall brauchen wir etwas fürs Labor. Kannst du noch mal reingehen und ihre Eltern um eine Zahnbürste oder Haarbürste von ihr bitten, um Proben davon zu nehmen. Buck wird sie dringend brauchen.«
»Und was bringt dich darauf, dass sie es sein könnte?«, fragte Bud.
»Vielleicht die Tatsache, dass Li He hier quicklebendig vor mir sitzt?«
»Echt? Wie hast du sie aufgespürt?«
Ich fasste die Geschichte kurz für ihn zusammen, kurz hauptsächlich deshalb, weil ich selbst noch nicht viele Einzelheiten kannte.
»Ich erledige das sofort. In zweieinhalb bis drei Stunden müsste ich zu Hause sein.«
Wir legten auf, und ich gesellte mich wieder zu den Damen, die sich in besorgtem Tonfall unterhielten. Sie rangen zwar noch nicht die Hände, waren aber kurz davor.
Khur-Vay sah mich an. »Wir müssen Li He noch heute Nacht von hier wegbringen. Es ist nicht mehr sicher. Wenn Sie uns gefunden haben, werden andere es auch schaffen.«
»Sie haben gerade einer Polizistin mitgeteilt, dass Sie eine illegale Einwanderin verstecken. Das ist Ihnen doch klar, oder?«
»Bitte. Sie bekommt ein Baby. Sie will es nicht hergeben.«
Ich hatte von der Ein-Kind-Politik gehört, die China vor einigen Jahrzehnten eingeführt hatte, kannte jedoch die juristischen Details nicht. Jedenfalls würde ich das Mädchen nicht melden. Khur-Vay wusste das. Und ich auch.
»Vielleicht kann ich Ihnen helfen, etwas über diese Ärzte in Erfahrung zu bringen«, versuchte Khur-Vay, mir die Entscheidung zu versüßen. »Und darüber, was Mikey und Mel herausgefunden hatten. Eine Hand wäscht die andere.«
»Und wie wollen Sie mir helfen?«
»Ich weiß viel mehr über Mikey als die meisten anderen. Wir waren zusammen. Er hat mir vertraut. Wäre er sonst zu mir gekommen, als Li He jemanden brauchte, obwohl wir schon seit Langem getrennt waren?«
Das klang plausibel. Im nächsten Moment fiel mir ein, dass sie oder Li He möglicherweise etwas zu Mikeys geheimnisvollem Schlüssel zu sagen hatten. Ich holte das Plastiktütchen, das ihn enthielt, aus der Tasche und zeigte es den beiden. »Weiß eine von Ihnen, zu welchem Schloss er gehört?«
Li He beugte sich vor, um den Schlüssel zu mustern, und schüttelte den Kopf. Ihre Miene war traurig, ihre Wangen waren tränennass. Ich hatte die Vermutung, dass sie schon sehr lange weinte. »Keine Ahnung. Orchid hätte es vielleicht gewusst.«
»Wer ist Orchid?«
»Das war Mels Name in der Klinik. Einige Patienten haben falsche Namen benutzt, wenn sie ihre wahre Identität geheim halten wollten.«
Das erklärte einige der seltsamen Namen, die ich auf den Deckblättern von Dr. Youngs und Dr. Collins’ Akten gelesen hatte. »Hatte Mikey auch einen falschen Namen?«
»Nein, er nannte sich einfach nur Mikey. Ihm war es egal, dass die Leute wussten, wer er war. Jeder durfte frei entscheiden, wie er heißen wollte.«
»Ich verstehe.«
Khur-Vay betrachtete den Schlüssel. »Ich erkenne ihn auch nicht.« Sie runzelte die Stirn und zögerte offenbar weiterzusprechen, tat es aber schließlich doch. »Aber da war ein Haus, wo er häufig hinfuhr. Er hat dort einige Möbelstücke und andere Sachen gelagert, nachdem seine Eltern ihn rausgeschmissen hatten.«
Ich sparte mir die Mühe, meine Aufregung zu verbergen. »Was für ein Haus? Wo ist es?«
»Es ist ein altes Lagerhaus mit Anlegesteg am Finley River. Ich glaube, er hatte es von seinen Großeltern geerbt. Mikey hat mir erzählt, Rumschmuggler hätten dort zu Zeiten der Prohibition Alkohol an Land gebracht. Ich habe ihm geholfen, seine Sachen dorthin zu schaffen. Bevor wir gegangen sind, hat er abgeschlossen. Vielleicht passt der Schlüssel ja
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