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Das Böse in dir

Titel: Das Böse in dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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entgegenschlängelte. In einem Wettlauf der Geldsäcke hätte Murphy vermutlich sogar Black ins Schwitzen gebracht.
    Wir beobachteten, wie der livrierte Chauffeur aus dem Wagen sprang und um das Fahrzeug herumhastete, um die rückwärtige Tür zu öffnen. Murphy quälte sich aus dem Wagen und warf einen Blick auf meinen Explorer, der hinter der Limousine stand.
    »Tja, Bud«, meinte ich, »eines kann ich dir verraten. Ich würde lieber Säure trinken, als dieses Haus zu betreten.«
    »Dito, ganz deiner Ansicht«, erwiderte Bud. Er späte hinüber zu dem Hirsch, der plötzlich am Waldrand aufgetaucht war. Hoffentlich würde er uns nicht angreifen. Das hätte an diesem Vormittag gerade noch gefehlt.
    »Findest du es auch so seltsam, dass er uns gebeten hat, mitzukommen und ihm zu helfen, es seiner Frau zu sagen?«
    »Ja, der Gedanke ist mir auch schon gekommen.«
    »Man möchte doch meinen, dass er das selbst und unter vier Augen erledigen möchte. Im Schlafzimmer hinter verschlossener Tür oder so, damit sie ein wenig Zeit hat, sich wieder zu fangen, bevor sie mit der Polizei spricht.«
    »Schon, aber die Menschen sind nun mal verschieden. Dass er ziemlich leicht die Fassung verliert, haben wir ja mitgekriegt, und das war kein Theater. Die Sache mit seinem Sohn macht ihn wirklich fertig, daran besteht kein Zweifel. Am besten bringen wir ihn jetzt ins Haus. Ohne uns wird er sich nämlich keinen Meter von dieser Tür wegbewegen.«
    Während wir widerwillig ausstiegen, brauste die Limousine des Gouverneurs mit ihrem leise und teuer schnurrenden Motor und ihrer Hochglanzpolitur davon. Joseph Murphy stand auf der Schwelle seines Hauses wie bestellt und nicht abgeholt. Sein Gesicht wirkte schlaff und niedergeschlagen, und seine Augen waren blutunterlaufen. Er sah aus, als wäre sein Leben vorbei. Als wir ihn erreicht hatten, drehte er sich wortlos um und ging die halbrunde Backsteintreppe hinauf zur Tür. Wir folgten ebenso schweigend. Über der Tür befand sich ein ge­waltiges Oberlicht aus Buntglas, vermutlich vor hundert Jahren bei Tiffany’s hergestellt und aus Tara oder einer anderen Bilderbuchplantage nach Missouri geschafft. Die Tür war tatsächlich scharlachrot lackiert und nicht abgeschlossen, sodass der Hausherr, seine Polizeieskorte im Schlepptau, eintrat, ohne den riesigen Türklopfer aus Messing in Form einer Krone zu benutzen.
    Drinnen wurden wir von absoluter Totenstille empfangen. Die Vorhalle hatte mindestens die Größe eines Mausoleums. Vermutlich hätte ich hier drinnen jodeln können wie Heidis Alpöhi, bis der gewaltige Kristalllüster vibrierte. Nirgendwo war ein arroganter Butler in Sicht. Auch keine zickigen Haushälterinnen. Wahrscheinlich bemannten sie irgendwo die Telefone, um Anrufer abzukanzeln. Allerdings entdeckte ich jede Menge großer, wunderschön verzierter chinesischer Vasen und vergoldeter Barockspiegel. Am Fuß der langen, geschwungenen Treppe standen einige mit weinrotem Samt gepolsterte Stühle und ein passendes kleines Sofa mit Knöpfen. Nicht schlecht für unseren guten alten Angeberstaat. Black würde sich sicher dafür interessieren. Allerdings war die Atmosphäre hier eiskalt, einsam und verlassen. Vielleicht brauchte Murphy uns ja, damit wir ihm Gesellschaft leisteten und menschliche Wärme verbreiteten.
    »Mary Fern ist sicher im Familienwohnzimmer. Sie fühlt sich wohler dort.«
    Inzwischen klang Murphys Stimme leise und monoton, und er sprach so wenig wie möglich. Also hefteten wir uns weiter an seine Fersen und gingen einige Flure entlang, wo sich gewaltige Doppeltüren auf beiden Seiten in prunkvolle Zimmer öffneten. Niemand sagte ein Wort, und bis auf das Hallen unserer Schritte war im Haus kein Geräusch zu hören. Wir hätten in dem Gedicht »Die Nacht als der Nikolaus kam« sein können, nur ohne Maus.
    Am hintersten Ende der Villa stießen wir endlich auf ein geräumiges Zimmer, das sage und schreibe einen bewohnten Eindruck machte. Zumindest stand auf einem gläsernen Beistelltischchen ein beschlagenes Glas und hinterließ, nicht zu fassen, einen Ring auf der Platte. Allerdings handelte es sich um einen teuren Kelch aus Waterford-Kristall, war also wenigstens stilecht. Waterford erkenne ich deshalb, weil Black in seinem Penthouse einige Stücke hat. Ich selbst besaß so etwas ganz sicher nicht. Ich benutze zu Hause leere Marmeladengläser, und zwar welche mit Disney-Motiven. Einmal hatte ich eines mit Trauben drauf, weil Smucker’s Traubengelee darin gewesen

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