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Das Boese in uns

Das Boese in uns

Titel: Das Boese in uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyen
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Handflächen sind trocken. Ich lasse mir meine Überraschung nicht anmerken, als ich Narben an ihren Handgelenken und am Unterarm entdecke. Zwei Schnitte, einer horizontal, einer vertikal. Die Spur eines Selbstmordversuchs.
    »Gleichfalls.« Ihre Stimme ist tief und kehlig, eine Telefonsex-Stimme. »Ja, ich habe versucht, mich umzubringen.« Sie dreht die andere Handfläche nach oben, und ich sehe noch mehr Narben. »Passend zur anderen Seite«, sagt sie.
    »Ich stand selbst einmal dicht davor.« Ich weiß selbst nicht, warum ich das sage.
    Sie sieht mich verstehend an und nickt. Wir setzen uns.
    »Wieso erregt der Mord an Rosemary die Aufmerksamkeit des FBI?«, kommt sie gleich auf den Punkt.
    Ich versuche es mit der Standard-Antwort: »Darüber darf ich noch nicht reden.«
    Sie antwortet mit dem humorlosesten Grinsen, das ich je gesehen habe, gefolgt von einem Kichern, das besagt: Ihr seid Armleuchter, wenn ihr glaubt, dass ich es euch so einfach mache. »Nun, dann kann ich Ihnen leider nicht helfen. Eine Hand wäscht die andere. Legen Sie die Karten auf den Tisch oder gehen Sie.«
    Ich schaue Alan an. Er zuckt die Schultern.
    »Also schön«, sage ich. »Rosemary Sonnenfeld ist nicht das einzige Opfer des Killers. Wenn Sie noch mehr wissen wollen, endet unser Gespräch an dieser Stelle.«
    »Nein, das reicht fürs Erste. Und ich bin froh, das zu hören.«
    »Dass er auch andere Frauen getötet hat?«
    »Natürlich. Bei mehreren Morden ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Sie ihn erwischen.«
    Sie schert sich nicht um das Gesamtbild. Wenn der Tod anderer hilft, den Mord an ihrer Freundin aufzuklären, ist es in Ordnung.
    »Wollen Sie uns mehr darüber erzählen?«, fragt Alan.
    Ich werfe ihm einen Seitenblick zu. Er konzentriert sich voll und ganz auf Andrea. Alan ist wahrscheinlich der begabteste Vernehmungsbeamte, den ich je gesehen habe, also halte ich den Mund und nehme mir einen Augenblick Zeit, Andrea zu beobachten.
    Ich brauche länger als Alan, um es zu erkennen, aber dann fällt der Groschen. Es ist in ihren Augen, in ihrem Gesicht, in allem: Sie ist traurig. Es ist nicht die kurzlebige Traurigkeit eines Menschen, der einen schlechten Tag hat. Es ist nicht Verzweiflung. Es ist irgendetwas dazwischen, eine Erschöpfung, eine Müdigkeit, die auf ihr lastet. Andrea hat eine Geschichte zu erzählen, eine schlimme Geschichte, und man muss ihr Gelegenheit geben, diese Geschichte loszuwerden, ehe man fragen kann, was man eigentlich von ihr wissen möchte.
    Andrea antwortet nicht sogleich auf Alans Frage. Sie mustert mich noch ein paar Sekunden aus diesen großen, intelligenten schwarzen Augen, bevor sie sich Alan zuwendet.
    »Ich war früher selbst Cop«, sagt sie. »Zu Hause in Ohio.«
    Alan nickt. »Vater Yates sagte es uns bereits.«
    »Ich war eine gute Polizistin. Ich konnte Lügen aus einer Meile Entfernung riechen, und ich sah Zusammenhänge, wo andere keine erkannten. Nach fünf Jahren war ich bereits beim Morddezernat.«
    »Flotte Karriere«, bemerkt Alan. »Wegen Ihrer Fähigkeiten, oder hatten Sie einen Rabbi?«
    Er meint einen Mentor. Jemanden weiter oben in der Hierarchie, der ihre Karriere gefördert hat.
    »Beides. Ich war tüchtig. Aber mein Dad war ebenfalls Cop gewesen, und deshalb gab es Leute, die auf mich geachtet haben. So war das in Ohio.«
    »So ist es überall«, sagt Alan. »Auch hier. Ich war zehn Jahre lang beim Morddezernat des Los Angeles Police Department. Talent allein reicht nicht immer.«
    »Ja. Wie dem auch sei, ich kam ziemlich gut voran. Ich wurde schnell befördert, heiratete einen großartigen Mann - keinen Cop -, und wir bekamen ein Baby. Einen wunderbaren Jungen, den wir Jared tauften. Das Leben war schön. Dann aber änderte sich alles.«
    Andrea unterbricht sich. Starrt stumm in die Ferne. »Inwiefern?«, fragt Alan.
    »Da war dieser Irre. Er brachte Familien um ... ganze Familien. Er kam in eine Vorstadtgegend und spähte die Menschen aus, die dort lebten, bis er eine passende Familie gefunden hatte. Passend hieß, dass es mehrere Kinder von zehn Jahren oder darüber geben musste, am besten Jungen und Mädchen gemischt, und wenigstens ein Elternteil. Alleinerziehende Mütter waren am besten, doch eine männliche Person war ebenfalls Teil der Gleichung, ob es der Vater war oder ein Sohn oder ein Bruder ... ganz egal.
    Er kam abends, wenn es dunkel wurde. Er zwang alle, sich zu entkleiden, und dann verbrachte er die Nacht damit, sein Ding durchzuziehen. Er zwang sie,

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