Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Boese in uns

Das Boese in uns

Titel: Das Boese in uns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyen
Vom Netzwerk:
Hatte sie ebenfalls Familie?«
    »Nein. Wie es aussieht, hatte sie nur die Kirche.«
    Schweigen.
    Dann: »Morgen ist Lisas Begräbnis.«
    Ich höre die Anspannung in ihrer Stimme.
    »Das tut mir leid«, sage ich und komme mir dumm vor.
    »Darf ich Sie etwas fragen, Smoky?«
    »Ja, sicher.«
    »Wie war es, Ihre Tochter zu begraben?« Die Frage hat die Wucht einer Abrissbirne. Sie zerschmettert innerhalb eines Sekundenbruchteils meine Verteidigungsmauern. Wie war es? Die Erinnerung ist heute so lebendig wie damals.
    Ich habe beide zur gleichen Zeit begraben, Matt und Alexa, meine Welt. Ich erinnere mich, dass es ein schöner Tag gewesen war. Die kalifornische Sonne schien auf die Särge und ließ die Metallbeschläge glänzen. Der Himmel war blau und wolkenlos. Ich hörte nichts, empfand nichts, sagte nichts. Ich bewunderte die Sonne und schaute zu, wie mein Leben für immer im Erdreich versank.
    »Es war wie ein Horrorfilm, der nicht aufzuhören schien«, antworte ich Rosario.
    »Aber er hat aufgehört?«
    »Ja.«
    »Und das war irgendwie noch schlimmer, nicht wahr? Dass er aufgehört hat?«
    »Das war das Schlimmste von allem.«
    Ich habe ihr die Wahrheit versprochen, vorbehaltlos, und ich habe keine Skrupel, mein Wort zu halten. Rosario und ich sind Schwestern im Geiste. Es ist nicht unsere Art, ein Leben in Verzweiflung zu leben oder uns in tobsüchtige Alkoholiker zu verwandeln. Wir gehören zu denen, die leiden, trauern und Tränen vergießen und dann, wenn es vorbei ist, weitermachen. Langsamer und schwerfälliger als vorher, aber unverdrossen. Rosario will wissen, was auf sie zukommt, und ich sage es ihr. Ich kann es ihr nicht ersparen, kann sie nicht davor bewahren, doch ich kann sie darauf vorbereiten.
    »Danke, dass Sie mich angerufen haben, Smoky«, sagt sie. Eine Pause. »Ich weiß, dass es nicht besser wird, wenn Sie ihn finden. Es bringt mir mein Kind nicht zurück.«
    »Darum geht es nicht, Rosario. Ich weiß, wovon ich rede, glauben Sie mir. Er muss bezahlen.«
    Er muss bezahlen für das, was er getan hat. Nicht, weil es Lisa Reid zurückbringen würde, nicht einmal, weil es das Leid mindern würde, das ihr Tod hinterlässt, sondern weil er Rosarios Kind getötet hat. Einen anderen Grund braucht es nicht; er steht für sich allein. Töte das Kind einer Mutter, und du bezahlst den Preis. Es ist ein Naturgesetz, und es gibt keine Ausnahme.
    »Ja. Auf Wiederhören.«
    »Auf Wiederhören, Rosario.«
    Nachdem wir aufgelegt haben, wird mir bewusst, dass ich in gewisser Weise Glück gehabt habe. Ich habe den Mann getötet, der mein Kind ermordet hat. Und doch hat es nichts geändert. Meine Alexa war trotzdem tot. Auf der anderen Seite, wenn ich an ihn denke ... wie er durch meine Hand starb, rührt sich eine Bestie in mir, satt, zufrieden und furchterregend. Die Erinnerung an den Geschmack seines Blutes wird immer berauschend für mich sein.
     

Kapitel 18
    Der Sommer endet zäh in diesen Breiten, klammert sich bis zum letzten Atemzug an die Sonne. Die Luft heute Morgen war frisch, aber nicht zu kalt, und inzwischen klettert das Thermometer schon wieder in Richtung zwanzig Grad Celsius.
    Der Verkehr fließt erstaunlich flott. Alan kann eine Geschwindigkeit von über hundert Sachen halten, ein kleines Wunder auf dem Freeway 405, nicht nur um diese Tageszeit. Man ist hier nie allein, egal um welche Uhrzeit.
    Ich beobachte, wie L. A. in das San Fernando Valley übergeht. Es ist eine subtile Veränderung, aber sie ist spürbar. Wäre Los Angeles ein Apfel, würde er von innen nach außen verrotten, wobei die Innenstadt der Kern ist. Das San Fernando Valley ist ebenfalls von Fäulnis befallen, doch hier wachsen an verschiedenen Stellen noch Blumen durch die Risse. Es gibt ein klein wenig mehr Platz für alles und ein klein wenig mehr Schmutz überall.
    Wir steuern den Parkplatz der Erlöserkirche an.
    »Nicht sonderlich imposant, hm?«, bemerkt Alan.
    Ich habe in der vergangenen Nacht nicht so genau hingesehen. Es war dunkel, und ich war müde. Aber Alan hat recht. Die Kirche ist klein, und wahrscheinlich gibt es keine wohlhabenden Gemeindemitglieder. Hier gibt es nur Margarine, keine Butter. Wasser aus dem Hahn, nicht aus der Flasche.
    »Ich finde die Kirche dadurch irgendwie vertrauenswürdiger«, sage ich.
    Alan grinst. »Ich weiß, was du meinst.«
    Wir lernen in unserem Job, dass Kleidung noch lange keine Leute macht. Man kann in einem T-Shirt genauso morden wie in einem dreiteiligen Anzug. Man kann reich

Weitere Kostenlose Bücher