Das Boese in uns
Sex miteinander zu haben. Schwester mit Schwester, Mutter mit Sohn, Vater mit Tochter. Sie verstehen, was ich meine. Anschließend vergewaltigte er seinen Favoriten ... oder einige seiner Favoriten. Wenn er fertig war, ließ er alle am Leben, bis auf ein Opfer, das er vor den Augen der anderen erwürgte.«
Sie schluckt mühsam, während sie sich erinnert.
»Wir haben eine Spezialeinheit zusammengestellt, der ich angehörte. Ich war heiß auf den Fall. Irgendetwas an dieser Geschichte ging mir an die Nieren. Ich weiß heute noch nicht, was es war. Es war eine schlimme Geschichte, doch ich hatte schon schlimmere gesehen.«
»Manchmal ist es mit den getöteten Opfern einfacher als mit den überlebenden«, bemerke ich.
Andrea sieht mich mit neu erwachtem Interesse an. »Eigenartig, dass Sie das sagen. Die Überfallenen Familien jedenfalls waren am Ende, für immer. Die meisten endeten in Scheidung. Einige der Väter und Kinder brachten sich um. Keine von den Müttern. Ich weiß immer noch nicht warum.«
»Wegen der anderen Kinder«, murmelt Alan.
»Was?«, fragt Andrea.
»Die Mütter haben sich nicht umgebracht, weil sie für die anderen Kinder da sein mussten.«
Sie starrt Alan einen Moment an, ehe sie fortfährt. »Es kam ihm darauf an, seine Opfer zu zerstören, sie kaputt zu machen. Das gab ihm den eigentlichen Kick. Nachdem ich das erkannt hatte, wusste ich, warum er sie am Leben ließ. Er wollte wiederkommen und sie in ihrem Elend, ihrer Verzweiflung beobachten. Wir haben die Opfer und ihre Häuser rund um die Uhr bewacht, und was soll ich Ihnen sagen? Der Mistkerl erschien tatsächlich, und wir haben ihn gepackt. In Ohio gibt es die Todesstrafe. Der Hurensohn hat vor ein paar Jahren in der Gaskammer seinen letzten Atemzug getan.«
»Gute Arbeit«, sage ich.
»Ja, wir haben ihn geschnappt«, entgegnet sie, »aber das hat mir nicht geholfen. Ich bekam die Geschichten der Opfer nicht mehr aus dem Kopf ... den Gedanken daran, zu was er sie gezwungen hatte. Wie er ihr Leben zerstörte. Irgendwann bekam ich Schlafstörungen. Wie jeder richtige Cop behielt ich alles für mich und wandte mich an den gleichen Therapeuten, den auch mein Vater in Zeiten der Not aufgesucht hatte, Dr. Johnnie Walker.« Ein freudloses Lächeln. »Dr. Walker hatte immer Sprechstunde, konnte ein Geheimnis für sich behalten und ging sauber runter.«
»Ich habe ihn selbst schon besucht«, sagt Alan.
»Wirklich?«, fragt sie.
»Ja. Er behandelt eine Menge Cops.«
Bitterkeit verzerrt ihr Gesicht. »Ja, aber er ist nicht billig. Er fängt zwar billig an, aber am Schluss ist die Rechnung gewaltig.«
Sie schließt und öffnet die Augen ein weiteres Mal; dann sieht sie zuerst mich, dann Alan an, und starrt dann an die Decke. Ich sehe Sturm in ihren Augen, Wind und Regen und Donner, Schmerz und ohnmächtige Wut und etwas noch Schrecklicheres, von dem ich nicht genau weiß, was es ist.
»Er hat mich alles gekostet«, sagt sie. »Alles.« Ihre Stimme ist tonlos. »Vielleicht hätte ich es ändern können, wenn ich den Mund aufgemacht und um Hilfe gefragt hätte. Aber das können Cops nicht gut. Außerdem war da der Druck, dass ich eine Frau bin. Ständig hat jemand darauf gelauert, dass ich Schwäche zeigte. Also behielt ich es für mich, und ich verbarg es gut. Wir Cops sind gute Lügner, nicht wahr?« Sie sieht Alan an. »Ich fuhr betrunken mit dem Wagen, und ich hatte Jared bei mir. Es gab einen Unfall, und er starb.«
Stille. Sie sieht uns nicht an.
Ich habe einen bitteren Geschmack im Mund. Eine weitere schlimme Geschichte, die ich in meinen Katalog überflüssiger, furchtbarer Geschichten eintragen kann. Was dieser Frau widerfahren ist, geschah nicht deshalb, weil sie ein schlechter Mensch wäre, ein schlechter Cop oder eine schlechte Mutter. Es war etwas an diesem Fall, das ihr zusetzte und das sie zur Flasche trieb, während es andere kalt ließ. Eines Tages saß sie mit ihrem Sohn im Wagen und war so voll, dass sie zick anstatt zack fuhr. Das war ihr Ende, zumindest für eine Weile. Dass sie den Täter längst erwischt hatte, spielte keine Rolle. Sie war sein letztes Opfer.
»Ich habe zweimal versucht, mich umzubringen. Einmal mit Tabletten, das zweite Mal mit Rasierklingen. Ich wurde wegen Dienstunfähigkeit entlassen. Mein Mann ließ mich sitzen. Ich wollte einen dritten Selbstmordversuch unternehmen, dann aber dämmerte mir die Wahrheit. Der Tod war zu gut für mich. Ich musste leiden.« Sie spricht immer noch in diesem
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