Das Böse kommt auf leisen Sohlen
ganz einfach wieder mit einem kleinen Lächeln um die schnurrbärtige Hundeschnauze nach Hause zu kommen.
Dad nannte den Hund Plato, nach dem Philosophen der Wildnis, weil man seinen Augen anmerkte, daß es nichts gab, was er nicht wußte. Danach pflegte der Hund wieder monatelang friedlich und brav dahinzuleben, bis er wieder verschwand und alles von vorn begann.
Als er nun die Straße entlangging, glaubte Will, daß Jim leise vor sich hin wimmerte. Er spürte, wie Jims Muskeln sich versteiften, sah, wie er die Ohren anlegte und ins Dunkle schnupperte. Jim roch Dinge, die andere Leute nie riechen, er hörte Uhren schlagen, die eine andere Zeit anzeigten. Selbst seine Zunge sah seltsam aus, wie er sich damit langsam erst über die untere und dann über die obere Lippe fuhr. Sie blieben vor Miss Foleys Haus stehen.
Das Fenster war leer.
"Ich gehe hin und läute", sagte Jim.
"Was – ihm Auge in Auge gegenübertreten?!"
"Hexenaugen, Will. Müssen doch nachsehen, wie? Ihm die Pfote schütteln, ihm ins Auge blicken oder so ähnlich, und wenn er es wirklich ist..."
"Wir können Miss Foley doch nicht warnen, wenn er dabei ist, nicht wahr?"
"Esel, wir rufen sie nachher an. Los, gehen wir hin."
Will seufzte und ließ sich zur Haustür ziehen. Er wollte es wissen und doch wieder nicht wissen – ob dieser Junge Mr. Cooger in sich versteckte, ob er ihm aus den Augen blickte wie ein Glühwürmchen.
Jim drückte auf den Klingelknopf.
"Und wenn er aufmacht?" fragte Will. "Junge, ich hab solche Angst, daß ich mir fast... Jim, warum hast du eigentlich keine Angst, warum nicht?"
Jim betrachtete seine Hände. Sie zitterten nicht.
"Verdammt", sagte er. "Ich hab wirklich keine Angst!"
Die Tür flog auf.
Miss Foley strahlte sie an.
"Jim! Will! Wie nett!"
"Miss Foley, alles okay?" platzte Will heraus.
Jim warf ihm einen bösen Blick zu. Miss Foley lachte.
"Warum sollte es denn nicht?"
Will wurde rot. "Die verdammten Spiegel auf dem Festplatz..."
"Unsinn, das hab ich schon wieder vergessen. Na, Jungens, kommt ihr herein?"
Sie hielt ihnen die Tür auf.
Will scharrte mit den Füßen und blieb stehen.
Hinter Miss Foley blähte sich ein Vorhang wie eine blauschwarze Gewitterwolke vor dem Eingang zum Wohnzimmer. Wo der dunkle Regenschauer des wallenden Vorhangs den Boden berührte, schauten ein Paar staubiger Schuhe hervor. Der Junge, das Böse, lauerte ganz in der Nähe.
Böse? Will blinzelte. Warum böse? Deshalb! Dieses "Deshalb" war ihm Grund genug. Ein Junge – jawohl. Und böse auch.
"Robert?" Miss Foley drehte sich um und rief durch den beständig fallenden Vorhangregen nach hinten. Sie nahm Will bei der Hand und zog ihn sanft ins Haus.
"Komm, Robert, ich möchte dich mit zwei meiner Schüler bekanntmachen."
Der Regen wurde beiseite geschoben. Eine kecke rosafarbene Hand kam wie von allein vor, als wollte sie fühlen, wie das Wetter auf dem Flur war.
Lieber Himmel, dachte Will, gleich sieht er mir in die Augen! Er sah das Karussell und sich selbst darauf, und es fuhr immer rückwärts, rückwärts. Ich weiß doch, das Bild ist in meinen Augen zu lesen, als sei ich vom Blitz getroffen!
"Miss Foley!" sagte Will.
Nun schob sich ein rosa Gesicht durch die matte, gefrorene Gewitterwolke.
"Wir müssen Ihnen etwas Schreckliches sagen."
Jim stieß Will hart mit dem Ellbogen an, damit er den Mund halten sollte.
Nun kam auch der Körper aus der dunklen Regenwolke zum Vorschein. Hinter dem kleinen Jungen schloß sich der Vorhang wieder.
Miss Foley beugte sich erwartungsvoll zu Will herab.
Jim packte ihn fest beim Ellbogen. Er stotterte, wurde feuerrot, dann sprudelte er es heraus:
"Mr. Crosetti!"
Ganz plötzlich hatte er wieder klar und deutlich das Schild im Fenster des Friseurladens vor Augen. Das Schild, das er im Vorbeilaufen gesehen und doch wieder nicht gesehen hatte.
WEGEN KRANKHEIT GESCHLOSSEN
"Mr. Crosetti!" sagte er noch einmal und fügte hastig hinzu: "Er ist – tot!"
"Wer – der Friseur?"
"Der Friseur?" fragte Jim wie ein Echo.
"Hier, meine Haare." Zitternd zeigte Will auf seinen Kopf. "Er hat sie mir geschnitten. Gerade sind wir dort vorbeigekommen, und da hing das Schild im Fenster, und die Leute haben uns gesagt..."
"Wie furchtbar." Miss Foley zog den fremden Jungen nach vorn. "Das tut mir aber wirklich leid. – Jungens, das ist Robert, mein
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