Das böse Spiel der Natalie Hargrove (German Edition)
auf.
»Ehrlich gesagt«, antwortete ich schließlich, »bin ich es leid, darüber zu reden.«
Darla nickte entschuldigend.
Mittlerweile fuhr der Lieferwagen eine eichengesäumte Allee zur Bucht entlang. Diese Gegend kannte ich gut. Wir fuhren durch das noble Viertel, in dem die Familien von Rex Freeman und Kate Richards ihre Wochenendhäuser hatten. Wenn wir an der nächsten Kurve zu der schmalen, mit Kiefern bestandenen Halbinsel hinuntergingen, würde ich auf der anderen Seite Mikes Haus sehen können.
Mike mochte Dick ebenso wenig wie ich, aber zu Darla war er immer sehr nett. Ich glaube, er wollte mir damit einen Gefallen tun, aber es ärgerte mich so, dass ich ihm gar nicht erzählt hatte, dass ich den Tag heute mit den Dukes verbringen musste.
»Das hier wird dir gefallen, Dotty«, erklärte Dick meiner Mutter und fuhr mit der Fingerspitze an ihrem BH -Träger entlang, der ihr über den bloßen Arm gerutscht war. Wieder sah er mich im Rückspiegel an und sein Schnurrbart glänzte in der Sonne. »Bist du auch so wählerisch wie deine Mutter?«
Diesmal begegnete ich im Spiegel seinem Blick.
»Sagen wir mal, Mom und ich haben ganz unterschiedliche Geschmäcker.«
Sein Blick richtete sich wieder auf die Straße und schließlich hielt er vor einem hellgelben dreistöckigen Haus. Alle anderen Häuser, die ich je in der Bucht gesehen hatte, waren im Kolonialstil erbaut worden, mit hohen weißen Säulen vor dem Eingang, einer weiten umlaufenden Veranda und bunten Holzläden vor den Fenstern. Wenn man sie alle am Wasser entlang aufgereiht sah, konnte man meinen, dieser Baustil sei eine Art Gesetz in der Gegend. Aber nicht bei diesem Haus. Es war eine Hacienda im mexikanischen Stil mit gelben Stuckwänden und einem dunkelroten Ziegeldach. Es war riesig. Es war grässlich. Es stach schlimmer hervor als ein Stachel im Fleisch. Es stach hervor, wie es nur das Haus eines Neureichen kann.
Doch offensichtlich gefiel es Mom. Als wir aus dem Auto stiegen und diese Monstrosität betrachteten, schlang sie die Arme um Dick, kicherte albern und strampelte mit den Beinen in der Luft. Meine Mutter, die dralle Julia Roberts.
»Ay Caramba!«, kicherte sie. Dicks Kopf versank förmlich in ihrem Dekolleté, als sie neckisch säuselte: »Mi casa es su casa, Señor?«
Als sie begannen, sich abzuknutschen, sah ich zu Darla hinüber. Einen Augenblick lang verspürte ich den Drang, verschwörerisch die Augen zu verdrehen. Sie gehörte zwar nicht zur A-Prominenz der Palmetto, aber immerhin saß Doppel-D in Bezug auf peinliche Eltern mit mir in einem Boot. Da konnten wir uns doch gegenseitig in unserer Schmach beistehen, oder?
Doch dann sah ich, wie Darla zwischen meiner Mutter und mir hin- und herblickte – so als würde sie uns vergleichen. Dann legte sie den Kopf schief und machte: »Hm.«
»Was ist?«
»Du hast die gleichen Angewohnheiten wie deine Mutter. Dieses Umarmung-und-mit-den-Beinen-strampeln-Ding – das hast du auch schon mal gemacht.«
Bevor ich noch meiner grausigen künftigen Stiefschwester antworten konnte, hakte sich die Mutter-mit-den-gleichen-Angewohnheiten-wie-ich bei mir unter und tänzelte mit mir auf das Haus zu.
»Richard hat gesagt, wenn uns das Haus wirklich gefällt, dann schenkt er es mir zur Verlobung«, flüsterte sie mir ins Ohr.
Mir blieb der Mund offen stehen.
»Ich weiß«, stieß sie hervor. »Das bedeutet …«
»Du willst tatsächlich heiraten«, ergänzte ich. »Schon wieder?«
»Tja … ja.« Sie zuckte mit den Achseln. »Aber was ich damit sagen will, ist … dieses Geschenk … ein ganzes Haus auf der richtigen Seite der Bucht … auf meinen Namen.« Ihre Stimme wurde ein paar Töne heller. »Verstehst du denn nicht, Natalie?« Sie sah mich an und legte mir die Hände auf die Schultern. »Oh, eines Tages wirst du es verstehen. Selbst wenn es mit Richard nicht klappen sollte …«
Sie sah zu Dick auf, der oben die Balkontür aufmachte.
»Hast du die Schwimmbar hinten gesehen, Dotty?«, fragte er.
»Oh, Richard !« Mom hüpfte ins Haus und ließ mich allein auf der Schwelle der Casa Kitsch zurück. Die Masche mit dem Ich mache das alles nur für dich war nichts Neues bei Mom. Nur fühlte es sich diesmal anders an.
Es war merkwürdig, aber Mom schien glücklich zu sein. Und Gott weiß, es hatte Zeiten gegeben, da hätte ich nie geglaubt, dass sie so weit kommen könnte. Als uns mein Dad zweiunddreißig Tage nach Beginn meines siebten Schuljahrs auf der Cawdor Middle verlassen
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