Das böse Spiel der Natalie Hargrove (German Edition)
hatte, war Mom verzweifelter und verlorener gewesen als ich. Ich hatte den größten Teil meiner Mittelschulzeit damit verbracht, ihr durch die schlimmen Phasen zwischen zwei Jobs, zwischen zwei Freunden und zwischen zwei Weinflaschen zu helfen. Ich hatte ihr so oft den Kopf über der Kloschüssel halten müssen, dass ich gar keine Zeit für eigene Probleme gehabt hatte. Ich wurde groß, während ihr schlecht wurde. Als ich an die Palmetto wechselte, hatte ich bereits mehr Dramen hinter mir als die meisten Mädchen in der zwölften Klasse.
Und hier stand sie nun, vier Ehemänner später und auf dem Weg zu ihrem zweiten millionenschweren Eigenheim – ausschließlich gegründet auf den Einsatz ihrer weiblichen Überredungskunst. Vielleicht war meine Mutter haltlos, aber dumm war sie nicht. Sie hatte sich ihre eigene goldene Regel geschmiedet: Sicherheit bedeutete nicht, einen Mann zu haben, der sie »liebte«, es kam darauf an, was er ihr kaufte – und zwar auf ihren Namen.
So wollte ich nicht enden.
»Liebling, komm und sieh dir das Labyrinth an!«, rief mir Mom vom Garten aus zu.
Seufzend lief ich um das Haus herum, damit ich mich nicht vor der geschmacklosen Inneneinrichtung gruseln musste. Doch noch bevor ich das Heckenlabyrinth erreichte, sah ich, wie sich Darla über den Zaun hinweg mit Kate Richards unterhielt. Ich war von der grauenvollen Hacienda so entsetzt gewesen, dass mir gar nicht aufgefallen war, dass wir nur zwei Häuser weit weg vom Haus ihrer Familie am See entfernt waren.
Ich wollte gerade um die Magnolie herumgehen, als ich Darlas Stimme hörte.
»Es war Nats Idee, mir das Kleid zu leihen«, log sie und strich den Stoff glatt, der sich über ihrer wogenden Brust spannte. »Unsere Eltern sind zusammen .«
»Nat Hargroves Mom und dein Dad?«, staunte Kate mit leisem kehligen Lachen. Es störte mich, dass sie auf einmal so interessiert klang. »Und ihr zieht hier nebenan ein? Ist Nat auch da?«
Darla nickte. »Aber sprich ja nicht über Baxter oder J. B. oder so. Es ist so … jeder redet mir ihr über nichts anderes.« Sie nickte wissend. »Seit sie Prinzessin ist. Sie ist es wohl leid …«
»Oh, hi, Kate!«, begrüßte ich sie, als ich zu ihnen trat. Die Rapunzel-Haare hatte sie zu einem wirren Knoten hochgesteckt. Ihr weißes Tank-Top endete ein Stück über ihrer Jeans und ich sah das rosa Herztattoo auf ihrer Hüfte.
»Hast du etwas von Baxter gehört?«, wollte ich wissen.
Kate sah Darla an und hob eine Augenbraue, bevor sie sich an mich wandte.
»Ja, hab ich«, seufzte sie. »Er hat sich endlich gemeldet.«
Ich widerstand dem Drang, sie nach Einzelheiten zu fragen, lehnte mich an den Zaun und sagte gedehnt: »Oh, tatsächlich?«
Kate neigte sich vor. »Er hat sich entschuldigt, dass er einfach verschwunden ist, und meinte, wir könnten doch demnächst mal essen gehen oder so.«
In ihrer Stimme lag der typische weibliche Drang, die Neuigkeiten jemandem mitteilen zu können – und die Bestätigung zu bekommen, dass es gute Neuigkeiten waren. Ich seufzte. Das war nicht die eigenwillige, starke, miniberockte Kate, mit der ich mich angefreundet hatte. Da glaubt man, ein Mädchen zu kennen – und sie geht hin, verliert ihre Unschuld auf einer Mardi-Gras-Party und knickt völlig ein.
»Das ist wunderbar, Liebes«, säuselte ich. »Und hat er etwas über den Abend erzählt, an dem er verschwunden ist?«
Kate senkte den Kopf. »Er schwört, dass er unschuldig ist. Er sagt, das könnte er auch bald beweisen, aber er will mir nicht sagen, wo er gewesen ist oder wann er zurückkommt.«
»Aber … er kommt bald zurück?«, fragte ich.
So wie sie mich ansah, die Stirn verzweifelt gerunzelt und mit flehendem Blick, wurde mir klar, dass es sie schwer erwischt hatte. Ich hatte Mitleid mit ihr, wirklich. Kein Mädchen träumt davon, dass ihr Lover nach dem ersten Mal sofort verschwindet. Aber da musste sie durch und aus eigener Kraft wieder raus. Selbst an seinen besten Tagen hatte Baxter sie nicht annähernd verdient. Außerdem brauchte ich eine sachliche und emotional unbeteiligte Informationsquelle, um ihn zu finden.
Wie ich Baxter kannte, plante er, wo immer er auch gerade war, wahrscheinlich seinen großen Auftritt, sobald sich die Gelegenheit dafür bot. Wenn er bereits Andeutungen über seine Unschuld machte und behauptete, Beweise dafür zu haben, dann konnte dieser Auftritt für Mike und mich allerdings weniger angenehm werden.
Vielleicht würde es doch nicht so einfach werden,
Weitere Kostenlose Bücher