Das Böse unter der Sonne
Hotelstrand so gesehen, den gebräunten Körper wohlig ausgestreckt, den spitzen grünen Papphut auf dem Kopf, um das Haar vor der Sonne zu schützen.
Aber jetzt schien die Sonne noch nicht in die Feenbucht. Es würde noch ein paar Stunden dauern, bis sie kam. Die überhängenden Felsen machten morgens lange Schatten. Eine böse Vorahnung beschlich Miss Brewster.
Das Boot knirschte auf dem Sand. Patrick Redfern rief:
«Hallo, Arlena!»
Und dann nahm Emily Brewsters böse Vorahnung festere Formen an, denn die ausgestreckte Gestalt rührte sich nicht und antwortete auch nicht.
Emily Brewster beobachtete, wie sich Patrick Redferns Gesichtsausdruck veränderte. Er sprang aus dem Boot. Miss Brewster folgte ihm. Sie zogen es an Land, in die Nähe der Gestalt, die still und regungslos unter den Klippen lag.
Patrick Redfern war zuerst bei ihr, aber Miss Brewster folgte ihm dicht auf den Fersen.
Es war wie in einem Traum – sie sah die braunen Arme und Beine, den tiefausgeschnittenen weißen Badeanzug, die rotbraunen Locken, die unter dem grünen Hut hervorquollen. Und Miss Brewster sah noch etwas – den seltsam abgewinkelten Arm. Im selben Augenblick erkannte sie, dass die Gestalt sich nicht einfach hingelegt hatte, sondern von jemand gewaltsam in den Sand gedrückt worden war.
Sie hörte Patrick Redferns Stimme – es war nicht mehr als ein erschrockenes Flüstern. Er kniete neben der leblosen Gestalt, berührte eine Hand, einen Arm…
«Mein Gott, sie ist tot!», sagte er leise und erschauerte. Sein Blick glitt zu ihrem Nacken. «Mein Gott, sie wurde erwürgt…», stotterte er. «Ermordet…»
Es war einer jener Augenblicke, wo die Zeit stillzustehen scheint. Mit einem seltsamen Gefühl der Unwirklichkeit hörte Emily Brewster sich sagen: «Wir dürfen nichts berühren. Erst muss die Polizei kommen…»
«Nein – nein, natürlich nicht», antwortete Redfern automatisch und fügte gepeinigt hinzu: «Wer? Warum? Wer konnte so etwas tun?» Er war völlig verstört. «Sie kann doch nicht – sie kann doch nicht ermordet worden sein. Nein, das ist nicht wahr!»
Emily Brewster schüttelte nur den Kopf. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hörte, wie er tief Luft holte. Dann stöhnte er mit unterdrückter Wut: «Mein Gott, wenn ich den gemeinen Kerl in die Finger kriege…»
Emily Brewster kroch es kalt den Rücken hinauf. Im Geist sah sie den Mörder hinter irgendeinem Felsen lauern. Dann sagte sie nachdrücklich: «Wer es auch getan hat – er ist bestimmt nicht mehr hier. Wir müssen die Polizei holen. Eigentlich», sie zögerte, «eigentlich sollte einer von uns bei der Toten bleiben.»
«Ich bleibe bei ihr», sagte Redfern.
Emily Brewster stieß einen erleichterten Seufzer aus. Sie gehörte nicht zu den Frauen, die zugaben, dass sie Angst hatten, aber insgeheim war sie froh, dass sie nicht allein in der Bucht bleiben musste. Schließlich bestand immer noch die schwache Möglichkeit, dass der Täter noch in der Nähe war.
«Gut», sagte sie. «Ich mache so schnell, wie ich kann. Ich nehme das Boot. Die Leitern hochzuklettern ist mir zu riskant. In Leathercombe gibt’s ein Revier.»
«Ja, ja, tun Sie, was Sie für richtig halten», murmelte Redfern mechanisch.
Während Miss Brewster eilig vom Strand wegruderte, beobachtete sie, wie sich Redfern neben der Toten in den Sand warf und den Kopf in den Händen vergrub. Es lag etwas so Trostloses in seiner Haltung, dass sie unwillkürlich Mitleid mit ihm hatte. Er war wie ein Hund, der bei seinem toten Herrn Wache hielt. Trotzdem regte sich ihr gesunder Menschenverstand.
Was Besseres konnte ihm gar nicht passieren, überlegte sie sachlich. Ihm und seiner Frau – und auch Marshall und seiner Tochter. Aber vermutlich sieht er die Sache anders, der arme Teufel.
Emily Brewster war eine Frau, die auch in einem Notfall einen klaren Kopf behielt.
5
I nspektor Colgate wartete darauf, dass der Polizeiarzt die Untersuchung der Leiche beendete. Patrick Redfern und Emily Brewster standen ein paar Schritte hinter ihm. Schließlich erhob sich Dr. Neasdon mit einer schnellen, geschickten Bewegung von den Knien und sagte:
«Erwürgt – und das von einem Paar ganz schön kräftiger Hände. Offensichtlich hat sie nicht viel unternommen, um sich zu wehren. Sie war wohl zu überrascht. Hm – eine scheußliche Sache.»
Emily Brewster hatte nur einen kurzen Blick auf die Tote geworfen und sich dann abgewandt. Was für ein entsetzlich verzerrtes, rotes
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