Das Bourne-Attentat
großer Abfluss befand. An die Wand zur Rechten war ein ein Meter tiefes Becken montiert, das so lang wie ein Mensch war. An beiden Enden waren Handschellen angebracht, und darüber ein Löschschlauch. Seine Düse sah in dem kleinen Raum riesig aus. Tyrone hatte so etwas schon auf Fotos gesehen und wusste, dass hier die Waterboarding-Folter praktiziert wurde. Er schoss eine ganze Serie von Fotos, denn das hier war der Beweis, den Soraya brauchte, dass die NSA bei ihren Verhören Folter anwandte.
Tyrone fotografierte das alles mit der Zehn-Megapixel-Minidigitalkamera, die Soraya ihm mitgegeben hatte. Mit der Speicherkarte hätte man sechs Videos von bis zu drei Minuten Länge aufnehmen können.
Als er fertig war, ging er zur Tür zurück, wohl wissend, wie wenig Zeit er zur Verfügung hatte. Vorsichtig schob er die Tür zentimeterweise auf, bis er erkennen konnte, dass der Korridor immer noch leer war. Er eilte weiter und probierte alle Türen, zu denen er kam. Schließlich landete er erneut in einem Beobachtungsraum. Diesmal sah er jedoch einen Mann bei einem Tisch knien. Seine Hände waren hinter ihm auf dem Tisch gefesselt. Über dem Kopf hatte er eine schwarze Kapuze. Er sah aus wie ein besiegter Soldat, der von den Siegern gedemütigt wurde. Tyrone spürte eine grenzenlose Wut in sich hochkommen. Er musste an die Geschichte seiner Vorfahren denken, die zuerst von feindlichen Stämmen an der Ostküste Afrikas gejagt wurden, dann an den weißen Mann verkauft und als Sklaven nach Amerika gebracht wurden. Deron hatte ihn ermutigt, sich mit dieser schrecklichen Geschichte auseinanderzusetzen, damit er erkannte, wo er herkam, und den Hass und die Vorurteile, die er in sich trug, verstehen lernte.
Er nahm sich zusammen und rief sich in Erinnerung, wofür er hier war. Das hier war genau das, worauf sie gehofft hatten: ein unwiderlegbarer Beweis, dass die NSA Leute eingekerkert hatte und auf unmenschliche Weise folterte. Tyrone schoss eine Serie von Fotos und machte sogar ein kurzes Video, bevor er den Beobachtungsraum verließ.
Auch jetzt war er allein auf dem Korridor. Das machte ihm allmählich Sorgen. Er hätte eigentlich erwartet, dass sich hier unten NSA-Leute aufhielten. Aber es war weit und breit niemand zu sehen.
Plötzlich spürte er ein Kribbeln im Nacken. Er drehte sich um und eilte halb laufend zurück. Sein Herz pochte, das Blut rauschte in seinen Ohren. Mit jedem Schritt verstärkte sich sein ungutes Gefühl. Kurz entschlossen spurtete er los.
Luther LaValle blickte von den Unterlagen auf. »Was für ein Spiel soll das sein, Director?«, fragte er in einem Ton, der nichts Gutes verhieß.
Soraya erschrak innerlich, zwang sich aber, ruhig zu bleiben. »Wie bitte?«
»Ich habe diese Abhörprotokolle, die angeblich von der Schwarzen Legion stammen, jetzt zweimal durchgelesen. Und ich finde nirgends einen Hinweis auf diese Gruppe, ja, es kommt überhaupt kein Name vor.«
Willard erschien und reichte General Kendall ein zusammengefaltetes Stück Papier. Kendall las die Nachricht mit ausdrucksloser Miene. Dann entschuldigte er sich und stand auf. Soraya verfolgte mit Bangen, wie er die Bibliothek verließ.
Um ihre Aufmerksamkeit wiederzuerlangen, wedelte LaValle mit den Papieren, als würde er mit einem roten Tuch einen Stier reizen. »Sagen Sie mir die Wahrheit. Diese Gespräche können genauso gut zwischen zwei Gruppen von elfjährigen Jungen stattgefunden haben, die mal Terrorist spielen wollen.«
»Meine Leute versichern mir, dass sie echt sind, Mr. La- Valle«, erwiderte Soraya mit einer gewissen Empörung. »Sie sind die Besten in ihrem Fach. Wenn Sie das nicht glauben, dann verstehe ich nicht, warum Sie bei Typhon mitmischen wollen.«
LaValle musste ihr in diesem Punkt Recht geben, doch so leicht ließ er sich nicht überzeugen. »Und woher wollen Sie wissen, dass sie von der Schwarzen Legion sind?«
»Kollaterale Informationen.«
LaValle lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Sein Drink stand unberührt vor ihm auf dem Tisch. »Und was zum Teufel soll kollaterale Informationen heißen?«
»Eine andere Quelle weiß von einem unmittelbar bevorstehenden Anschlag auf amerikanischem Boden, der von der Schwarzen Legion ausgeht.«
»Für deren Existenz wir nicht einen stichhaltigen Beweis haben.«
Soraya empfand die Situation als immer unangenehmer. Das Gespräch ging mehr und mehr in Richtung eines Verhörs. »Ich habe diese Unterlagen hergebracht, weil Sie sie sehen wollten und um eine
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