Das Bourne-Attentat
wendet«, sagte LaValle, »er ist ein toter Mann.«
Soraya starrte entgeistert durch das Einwegfenster auf Tyrone, der in einer Zelle stand, die mit einer Wanne ausgestattet war, die an einen Sarg erinnerte.
In der Mitte des Raumes war ein Stahltisch am Betonboden festgeschraubt, und darunter ein Abfluss, um Wasser und Blut wegzuspülen.
LaValle hielt eine Digitalkamera hoch. »General Kendall hat das hier bei Ihrem Freund gefunden.« Er drückte auf eine Taste und scrollte auf dem Display der Kamera durch die Fotos, die Tyrone geschossen hatte. »Das reicht, um ihn wegen Hochverrats zu verurteilen.«
Soraya fragte sich, wie viele Fotos von den Folterkammern Tyrone hatte machen können, bevor er erwischt wurde.
»Runter mit seinem Kopf«, knurrte Kendall mit gefletschten Zähnen.
Soraya hatte sich selten so elend gefühlt. Gewiss, Tyrone war schon öfter in brenzligen Situationen gewesen, aber in diesem Fall war sie verantwortlich für das, was ihm widerfahren war. Sie wusste, wenn ihm etwas zustieß, würde sie sich das nie verzeihen können. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, ihn in eine so riskante Operation hineinzuziehen? Sie erkannte nun, wie sehr sie sich verrechnet hatte, doch jetzt war es zu spät, um etwas daran zu ändern.
»Das wirklich Dumme an der Sache«, fuhr LaValle fort, »ist, dass wir ohne große Mühe auch Sie auf die Anklagebank bringen können.«
Soraya dachte nur noch an Tyrone, dem sie das alles angetan hatte.
»Das war meine Idee«, sagte sie mit schwacher Stimme. »Lassen Sie Tyrone gehen.«
»Sie meinen, er hat nur seine Anweisungen befolgt«, warf General Kendall ein. »Wir sind hier nicht bei den Nürnberger Prozessen. Ehrlich gesagt gibt es absolut nichts, was Sie zu Ihrer Verteidigung vorbringen können. Seine Verurteilung und Exekution ist genauso sicher wie die Ihre.«
Sie führten sie in die Bibliothek zurück, wo ihr Willard, als er ihr bleiches Gesicht sah, sofort eine frische Kanne Ceylontee brachte. Zu dritt setzten sie sich wieder ans Fenster. Dass der vierte Sessel leer blieb, war für Soraya wie eine Anklage. Was ihr Scheitern noch schlimmer machte, war die Tatsache, dass sie LaValle so sträflich unterschätzt hatte. Sie hatte sich von seinem selbstgefälligen überaggressiven Auftreten zu der Einschätzung verleiten lassen, dass er zu der Sorte von Männern gehörte, die sie automatisch unterschätzten. Das war ein fataler Irrtum.
Sie kämpfte gegen das Gefühl der Enge in ihrer Brust an, gegen die Panik, die in ihr hochkommen wollte, und gegen das Gefühl, dass sie und Tyrone sich in einer Situation befanden, aus der es keinen Ausweg gab. Sie nutzte das Teeritual, um sich zu sammeln und neu zu konzentrieren. Zum ersten Mal in ihrem Leben trank sie ihren Tee mit Sahne und Zucker, und sie nahm ihn wie eine Medizin zu sich.
Sie versuchte ihr Gehirn aus dem Schockzustand zu lösen, damit sie wieder klar denken konnte. Wenn sie Tyrone helfen wollte, musste sie hier rauskommen, das war ihr klar. Wenn LaValle sie vor Gericht bringen wollte, wie er gedroht hatte, es mit Tyrone zu machen, dann säße sie bereits in der Zelle neben ihm. Die Tatsache, dass die beiden Männer mit ihr in die Bibliothek zurückgekehrt waren, gab ihr ein klein wenig Hoffnung. Sie beschloss, zunächst einmal abzuwarten und zu sehen, was LaValle und Kendall vorhatten.
Als sie ihre Teetasse auf den Tisch zurückstellte, begann LaValle damit, ihr den Prozess zu machen. »Wie gesagt, Director, wirklich dumm an der Sache ist, dass Sie genauso tief drinstecken. Ich würde Sie nur ungern als Verbündete verlieren – obwohl ich jetzt sehe, dass ich Sie nie wirklich als Verbündete hatte.«
Seine kleine Ansprache klang einstudiert, so als hätte er sich jedes Wort genau überlegt.
»Ehrlich gesagt«, fuhr er fort, »ist mir jetzt klar, dass Sie mich von Anfang an belogen haben. Sie hatten nie vor, zur NSA überzuwechseln, stimmt’s?« Er seufzte wie ein Schulleiter, der eine begabte, aber undisziplinierte Schülerin zurechtwies. »Deshalb kann ich nicht glauben, dass Sie diesen Plan ganz allein ausgeheckt haben.«
»Wenn ich wetten würde«, warf Kendall ein, »würde ich ein hübsches Sümmchen darauf setzen, dass die Anweisung von ganz oben gekommen ist.«
»Veronica Hart ist das eigentliche Problem hier«, fuhr LaValle fort und breitete seine Hände aus. »Vielleicht können Sie im Licht der heutigen Ereignisse anfangen, die Dinge so zu sehen wie wir.«
Soraya konnte sich schon denken,
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