Das Bourne-Attentat
interessiert, nicht an einem jungen blonden Mädchen.
Als sie den Aussichtspunkt erreichten, zahlte Bourne für die Fahrt, schritt über den Bürgersteig und stieg vorne neben Jakow in seinen Wagen ein.
»He, was soll das?«, protestierte Jakow. Da erkannte er Bourne und griff hastig nach der Makarow, die in einer Schlaufe unter dem schäbigen Armaturenbrett steckte.
Bourne zog Jakows Hand zurück und drückte sie gegen den Sitz, während er die Pistole an sich nahm. Er richtete sie auf Jakow. »Für wen arbeiten Sie?«
Jakows Stimme klang weinerlich, als er antwortete: »Setzen Sie sich einmal Nacht für Nacht auf meinen Platz und fahren Sie um den Gartenring, während Ihnen irgendwelche Kamikaze-Fahrer die Fuhren wegschnappen – und bei alldem verdient man kaum genug, um zu überleben.«
»Es ist mir egal, warum Sie sich dafür hergeben, für die NSA zu spionieren«, erwiderte Bourne. »Ich will nur wissen, wem Sie Bericht erstatten.«
Jakow hob beschwichtigend die Hand. »Hören Sie, ich komme aus Bischkek in Kirgisien. Es ist nicht besonders schön dort, man hat kaum genug zum Leben. Also gehe ich mit meiner Familie nach Russland, wo die Straßen mit Rubeln gepflastert sind. Aber hier behandeln sie mich wie Dreck. Die Leute auf der Straße spucken meine Frau an. Meine Kinder werden geschlagen und beschimpft. Und ich bekomme nirgends eine Arbeit hier in der Stadt. ›Moskau den Moskauern höre ich immer wieder. Also werde ich Taxifahrer, weil ich nichts anderes finde. Aber dieses Leben, mein Herr, Sie haben ja keine Ahnung, wie schwer es ist. Manchmal komme ich nach zwölf Stunden mit hundert Rubel nach Hause, manchmal mit gar nichts. Sie können es mir doch nicht verdenken, dass ich Geld von den Amerikanern nehme. Russland ist korrupt, aber Moskau ist mehr als korrupt. Es gibt gar kein Wort dafür, wie schlimm es hier ist. In der Regierung sitzen nur Gauner. Die Verbrecher plündern die Bodenschätze des Landes – Öl, Erdgas, Uran. Jeder nimmt, nimmt, nimmt, so viel er kann, damit sie sich große ausländische Autos kaufen können und jeden Tag ein anderes Mädchen haben können, und eine Datscha in Miami Beach. Und was bleibt für uns übrig? Kartoffeln und Rüben – und auch das nur, wenn wir achtzehn Stunden am Tag arbeiten und viel Glück haben.«
»Ich habe nichts gegen Sie«, erwiderte Bourne. »Sie haben ein Recht darauf, sich Ihren Lebensunterhalt zu verdienen.« Er reichte Jakow eine Handvoll Dollarscheine.
»Ich treffe mich mit niemandem, mein Herr. Ich schwöre es. Es sind nur Stimmen aus dem Handy. Das Geld kommt immer auf ein Postfach in …«
Bourne setzte ihm den Lauf der Pistole ans Ohr. Der Taxifahrer zuckte zusammen und sah Bourne flehend an.
»Bitte, bitte, mein Herr, was habe ich denn getan?«
»Ich habe Sie vor dem Metropolja mit dem Mann gesehen, der mich töten wollte.«
Jakow kreischte hysterisch. »Sie töten? Ich werde nur dafür bezahlt, dass ich beobachte und berichte. Ich weiß nichts von …«
Bourne schlug den Fahrer. »Hören Sie auf zu lügen und sagen Sie mir, was ich wissen will.«
»Gut, gut.« Jakow zitterte vor Angst. »Der Amerikaner, der mich bezahlt, heißt Low. Harris Low.«
Bourne ließ sich eine genaue Beschreibung des Mannes geben, dann nahm er Jakow das Handy ab.
»Steigen Sie aus«, forderte er ihn auf.
»Aber mein Herr, ich habe alle Ihre Fragen beantwortet«, protestierte Jakow. »Sie haben mir alles weggenommen. Was wollen Sie denn noch?«
Bourne beugte sich über ihn, öffnete die Tür und schob ihn hinaus. »Das hier ist ein beliebter Ort. Hier kommen viele Taxis vorbei. Sie sind jetzt ein reicher Mann. Verwenden Sie ein bisschen von dem Geld, das ich Ihnen gegeben habe, für die Fahrt nach Hause.«
Er setzte sich hinter das Lenkrad, ließ den Motor an und fuhr ins Herz der Stadt zurück.
Harris Low war ein eleganter Mann mit einem dünnen Oberlippenbart. Sein Haar war schon frühzeitig weiß geworden, und sein Gesicht hatte eine gesunde Röte, wie man sie bei vielen blaublütigen Familien im amerikanischen Nordosten fand. Dass er die letzten elf Jahre in Moskau verbracht hatte und hier für die NSA arbeitete, war ein Erbe seines Vaters, der den gleichen gefährlichen Pfad beschritten hatte. Low hatte seinen Vater vergöttert; so lange er zurückdenken konnte, wollte er so sein wie er. So wie sein Vater hatte er die Stars and Stripes in seine Seele eintätowiert. Im College war er ein Angriffsspieler im Footballteam gewesen, und er hatte
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