Das Bourne-Attentat
anhielt. Sie saß vornübergebeugt im Wagen, ihre feuchtkalte Stirn gegen das Lenkrad gedrückt. Sie versuchte zusammenhängend zu denken, doch ihr Gehirn war wie in Beton erstarrt. Schließlich kamen die Tränen, und sie weinte bitterlich.
Sie musste Deron anrufen, doch es schauderte sie beim Gedanken daran, wie er reagieren würde, wenn er erfuhr, dass sie es zugelassen hatte, dass sein Schützling von der NSA erwischt und gefoltert wurde. Sie hatte großen Mist gebaut. Und sie hatte keine Ahnung, wie sie die Sache wieder in Ordnung bringen konnte. Die Wahl, vor die LaValle sie gestellt hatte – Veronica Hart oder Tyrone –, war einfach unannehmbar.
Nach einer Weile hatte sie sich genug beruhigt, um aus dem Wagen auszusteigen. Wie eine Schlafwandlerin ging sie zwischen all den Menschen hindurch, die nichts von dem wussten, was sie gerade durchmachte. Es schien irgendwie verkehrt, dass sich die Welt weiterdrehte wie gewohnt, gleichgültig gegenüber dem, was hier passiert war.
Sie trat in einen kleinen Teeladen, und als sie in ihrer Handtasche nach dem Handy wühlte, sah sie das Zigarettenpäckchen. Eine Zigarette würde ihre Nerven beruhigen, aber draußen auf der kalten Straße zu stehen und zu rauchen würde ihr Gefühl der Verlorenheit nur noch stärker machen. Sie beschloss, auf dem Weg zurück zum Auto zu rauchen. Das Handy legte sie vor sich auf den Tisch, und sie sah es an, als wäre es etwas Lebendiges. Sie bestellte einen Kamillentee, der sie so weit beruhigte, dass sie das Telefon zur Hand nehmen konnte. Schließlich tippte sie Derons Nummer ein, doch als sie seine Stimme hörte, schien ihre Zunge am Gaumen festzukleben.
Irgendwie schaffte sie es, ihren Namen herauszubringen. Bevor er sie fragen konnte, wie die Mission gelaufen war, fragte sie, ob sie seine Freundin Kiki sprechen könne. Sie wusste selbst nicht, wie sie darauf gekommen war. Sie hatte Kiki erst zweimal gesehen. Aber Kiki war eine Frau, und Soraya spürte instinktiv, dass es leichter sein würde, ihr alles zu beichten als Deron.
Als sie Kiki am Telefon hatte, fragte Soraya, ob sie in den kleinen Teeladen in Alexandria kommen könnte. Als Kiki fragte, wann, sagte Soraya: »Jetzt. Bitte.«
»Als Erstes müssen Sie einmal aufhören, sich selbst Vorwürfe zu machen«, sagte Kiki, nachdem Soraya ihr geschildert hatte, was im NSA-Haus passiert war. »Es sind Ihre Schuldgefühle, die Sie lähmen, und glauben Sie mir, Sie werden jede einzelne Gehirnzelle brauchen, wenn wir Tyrone aus diesem Loch herausholen wollen.«
Soraya blickte von ihrem blassgelben Tee auf.
Kiki lächelte und nickte. Mit ihrem dunkelroten Kleid und den goldenen Ohrringen sah sie noch königlicher, noch exotischer aus als sonst. Sie überragte alle Anwesenden um mindestens zehn Zentimeter.
»Ich weiß, dass ich es auch Deron sagen muss«, betonte Soraya. »Ich weiß nur nicht, wie er reagieren wird.«
»Seine Reaktion wird nicht so schlimm sein, wie Sie befürchten«, antwortete Kiki. »Außerdem ist Tyrone ein erwachsener Mensch. Er wusste über das Risiko genauso gut Bescheid wie wir. Es war seine Entscheidung, Soraya. Er hätte Nein sagen können.«
Soraya schüttelte den Kopf. »Das ist es eben – ich glaube nicht, dass er Nein sagen konnte, jedenfalls nicht, so wie er die Dinge sieht.« Sie rührte ihren Tee um, mehr um dem auszuweichen, was sie unbedingt sagen musste. Schließlich blickte sie auf und leckte sich über die Lippen. »Wissen Sie, Tyrone hat sich, glaube ich, ein bisschen in mich verguckt.«
»Ach, was Sie nicht sagen.«
Soraya sah sie schockiert an. »Sie wissen es?«
»Jeder, der ihn kennt, weiß es, Schätzchen. Man braucht ihn nur anzusehen, wenn ihr beide zusammen seid.«
Soraya spürte, wie sich ihre Wangen röteten. »Ich glaube, er hätte alles getan, worum ich ihn gebeten hätte, auch wenn’s noch so gefährlich gewesen wäre.«
»Aber er wollte es ja tun.«
Das stimmte, dachte Soraya. Er hatte es gar nicht erwarten können. Er war wohl nervös gewesen, aber er hatte der Aufgabe entgegengefiebert. Seit Deron ihn unter seine Fittiche genommen hatte, litt er darunter, sein Leben in den engen Grenzen seines Viertels verbringen zu müssen, das wusste Soraya. Aber er hatte weder das Interesse noch die Fähigkeit, das zu tun, was Deron tat. Dann kam sie daher. Er hatte ihr sogar gesagt, dass er sie als seine Fahrkarte aus dem Ghetto betrachtete.
Doch sie spürte immer noch diese Enge in der Brust und ein flaues Gefühl in der
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