Das Bourne-Attentat
Magengrube. Immer wieder sah sie ihn vor sich, wie er am Boden kniete, eine Kapuze über dem Kopf, die Hände hinter sich auf dem Tisch gefesselt.
»Sie werden auf einmal so blass«, sagte Kiki. »Sind Sie okay?«
Soraya nickte. Sie wollte Kiki sagen, woran sie dachte, doch sie konnte es nicht. Sie spürte, wenn sie darüber sprach, würde es wieder so furchtbar real vor ihr stehen, dass die Panik wieder hochkommen würde.
»Dann sollten wir jetzt gehen.«
Als sie hinausgingen, nahm sie die Zigaretten aus der Handtasche und warf sie in eine Mülltonne. Sie brauchte sie nicht mehr.
Wie geplant holte Gala Bourne mit Jakows Taxi ab, und sie fuhren zusammen zu Lorraines Wohnung zurück. Es war kurz nach zehn Uhr vormittags; sein Treffen mit Maslow war erst für Mittag angesetzt. Er brauchte eine Dusche, eine Rasur und etwas Ruhe.
Lorraine war so freundlich, sich um sie beide zu kümmern. Sie gab Bourne frische Handtücher und einen Einwegrasierer und bot ihm an, seine Kleider zu waschen und zu trocknen. Im Badezimmer zog sich Bourne aus, dann öffnete er die Tür weit genug, um Lorraine die schmutzigen Kleider zu geben.
»Ich stecke sie in die Waschmaschine, dann holen Gala und ich etwas zu essen. Können wir Ihnen etwas mitbringen?«
Bourne dankte ihr. »Ich bin mit allem zufrieden, was Sie haben.«
Er schloss die Tür, ging zur Dusche und drehte das Wasser voll auf. Dann öffnete er den Arzneischrank, nahm den Wundalkohol heraus, außerdem einen Gazetupfer, Klebeband und eine antibiotische Salbe. Schließlich setzte er sich auf den Toilettendeckel und reinigte seine abgeschürfte Ferse. Sie hatte einiges abbekommen und sah ganz wund aus. Er drückte etwas Salbe auf den Tupfer, legte ihn auf die Wunde und fixierte ihn mit dem Klebeband.
Dann nahm er sein Handy vom Waschbecken, wo er es beim Ausziehen hingelegt hatte, und wählte die Nummer, die Boris Karpow ihm gegeben hatte.
»Würdest du bitte ohne mich gehen?«, sagte Gala, als Lorraine ihr ihre Pelzjacke aus dem Schrank geben wollte. »Ich fühle mich auf einmal nicht so gut.«
Lorraine ging zu ihr zurück. »Was ist denn los?«
»Ich weiß auch nicht.« Gala ließ sich auf das weiße Ledersofa sinken. »Mir ist irgendwie schwindlig.«
Lorraine griff ihr an den Hinterkopf. »Beug dich vor. Leg den Kopf zwischen die Knie.«
Gala tat, was ihre Freundin ihr riet. Lorraine ging zur Anrichte, nahm eine Flasche Wodka heraus und schenkte ein wenig in ein Glas ein. »Hier, trink einen Schluck. Es wird dich beruhigen.«
Gala richtete sich vorsichtig auf, nahm den Wodka und stürzte ihn so schnell hinunter, dass sie sich fast verschluckte. Doch dann spürte sie das Feuer in ihrem Magen, und die Wärme breitete sich im ganzen Körper aus.
»Okay?«, fragte Lorraine.
»Besser.«
»Gut. Ich bringe dir heiße Borschtschsuppe mit. Du musst etwas essen.« Sie schlüpfte in ihren Mantel. »Leg dich doch ein bisschen hin.«
Erneut tat Gala, was ihre Freundin ihr sagte, doch als Lorraine weg war, stand sie wieder auf. Sie hatte das Sofa noch nie bequem gefunden. Einen Moment lang hatte sie Mühe, das Gleichgewicht zu halten, dann ging sie auf den Flur hinaus. Sie musste sich auf ein ordentliches Bett legen.
Als sie am Badezimmer vorbeikam, hörte sie jemanden sprechen, doch Bourne war allein da drin. Neugierig trat sie näher heran und drückte schließlich ein Ohr an die Tür. Sie hörte das Rauschen der Dusche, aber auch Bournes Stimme. Er musste mit dem Handy telefonieren.
»Medwedew hat was getan?«, hörte sie ihn sagen. Er redete mit seinem Gesprächspartner über Politik. Sie wollte schon weitergehen, als sie Bourne sagen hörte: »Mit Tarkanian … das wollte ich nicht … Nein, nein, ich habe ihn getötet … Ich musste es tun, mir blieb nichts anderes übrig.«
Gala wich von der Tür zurück, als hätte ihr Ohr ein heißes Eisen berührt. Eine ganze Weile stand sie da und starrte auf die geschlossene Tür, dann ging sie rückwärts weg. Bourne hatte Mischa getötet! Mein Gott, sagte sie zu sich selbst. Wie hatte er das nur tun können? Und dann dachte sie an Arkadin, Mischas besten Freund. Mein Gott.
Kapitel sechsundzwanzig
Dimitri Maslow hatte die Augen einer Klapperschlange, die Schultern eines Ringers und die Hände eines Maurers. Gekleidet war er jedoch wie ein Banker, als Bourne ihn in einer Lagerhalle traf, die sich auch als Flugzeughangar geeignet hätte. Er trug einen dreiteiligen Savile-Row-Anzug, ein ägyptisches Baumwollhemd und eine
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