Das Bourne-Attentat
auszuweichen, und fuhr mit einem heftigen Ruck auf den Randstein auf. Die Fußgänger wichen erschrocken zurück, als das Fahrrad wie eine Rakete auf den Bürgersteig geschossen kam. Bourne schaffte es, einen Sturz zu vermeiden, doch da war nicht die kleinste Lücke vor ihm, durch die er sich zwängen konnte. Er bremste abrupt, um nicht in eine Gruppe von jungen Leuten zu rasen, doch die Bremsen griffen nicht schnell genug. Er lehnte sich mit dem Rad nach rechts und riss sich das rechte Hosenbein auf, als er über den Beton schlitterte.
»Sind Sie okay?«
»Was haben Sie sich nur dabei gedacht?«
»Haben Sie die rote Ampel nicht gesehen?«
»Sie hätten überfahren werden können – oder selbst jemanden überfahren!«
Ein Gewirr von Stimmen drang auf ihn ein, als sich Passanten um ihn scharten und versuchten, ihm aufzuhelfen. Bourne bedankte sich und rappelte sich auf die Beine. Er lief einige Hundert Meter die Straße hinunter, doch wie er befürchtet hatte, war der GMC längst verschwunden.
Unter wüsten Flüchen durchsuchte Arkadin die Taschen von Oleg Iwanowitsch Schumenko, der auf dem blutverschmierten Steg in der Weinkellerei lag. Immer wieder fragte er sich, wie er nur so verdammt dumm hatte sein können. Er hatte genau das getan, was Schumenko gewollt hatte, nämlich ihn zu töten. Der Mann wollte lieber sterben, als den Namen des nächsten Gliedes in Pjotr Zilbers Netzwerk zu verraten.
Trotzdem bestand die Möglichkeit, dass er irgendetwas bei sich trug, was Arkadin einen Schritt weiterhelfen konnte. Arkadin hatte bereits einen kleinen Haufen von Münzen, Geldscheinen, Zahnstochern und Zetteln vor sich liegen. Er faltete jedes Stück Papier auseinander, das er fand, doch nirgends stand ein Name oder eine Adresse; alles, was er fand, waren Listen mit irgendwelchen Mitteln, die vermutlich in der Weinkellerei gebraucht wurden – sei es für die Gärung oder für die Reinigung der Fässer.
Schumenkos Brieftasche war eine einzige Enttäuschung – es enthielt ein verblasstes Foto von zwei älteren Leuten, die in die Sonne und in die Kamera lächelten, wahrscheinlich Schumenkos Eltern, wie Arkadin annahm; außerdem fand er darin ein Kondom in einer Folie, einen Führerschein, eine Autozulassung, den Mitgliedsausweis für einen Segelclub, einen Schuldschein über zehntausend Griwna – nicht ganz zweitausend amerikanische Dollar –, zwei Rechnungen – eine von einem Restaurant, die andere von einem Nachtclub – und ein altes Foto von einem jungen Mädchen, das in die Kamera lächelte.
Er steckte die beiden Rechnungen ein – das Einzige, was eine Spur darstellen konnte – und drehte dabei versehentlich den Schuldschein um. Auf der Rückseite stand der Name DEVRA, mit eindeutig weiblicher Handschrift geschrieben. Arkadin wollte noch weitersuchen, doch er hörte ein elektronisches Kreischen, dann die laute Stimme der Frau namens Jetnikova. Er blickte sich um und sah ein altmodisches Walkie-Talkie am Geländer hängen. Er steckte die Zettel ein, eilte über den Steg, die Treppe hinunter und aus dem Champagner-Gärraum hinaus.
Schumenkos Chefin schritt durch die labyrinthischen Gänge so energisch auf ihn zu, als stünde sie an der Spitze der Roten Armee beim Einmarsch in Warschau. Selbst aus der Entfernung konnte er ihren finsteren Gesichtsausdruck erkennen. Im Gegensatz zu seinen russischen Papieren waren seine ukrainischen nicht wirklich wasserdicht. Sie mochten einem flüchtigen Blick standhalten, doch wenn sie in irgendeiner Weise überprüft wurden, flog er mit Sicherheit auf.
»Ich habe im Büro des SBU in Kiew angerufen. Sie sind der Sache nachgegangen, Oberst«, sagte die Frau in angriffslustigem Ton. »Oder wer immer Sie sind.« Sie blies sich auf wie ein Stachelschwein vor dem Kampf. »Sie haben dort noch nie von Ihnen …«
Sie kreischte kurz auf, als er ihr eine Hand auf den Mund drückte und einen harten Fausthieb in den Solarplexus versetzte. Sie sackte in seinen Armen zusammen wie eine Stoffpuppe, und er zog sie über den Gang, bis er zum Hauswirtschaftsraum kam. Er öffnete die Tür, schob sie hinein und folgte ihr nach.
Jetnikova lag auf dem Boden und kam allmählich zu sich. Augenblicklich begann sie sich zu ereifern und wies ihn unter wüsten Flüchen auf die Konsequenzen hin, die sein empörendes Verhalten für ihn haben würde. Arkadin sah und hörte sie gar nicht. Er versuchte die Vergangenheit zu verdrängen, doch wie immer kamen die Erinnerungen zurück und ergriffen von ihm
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