Das Bourne Duell
geradeaus. »Ich weiß.«
»Und hören Sie, wenn diese Lieferung nicht dort ankommt, wo sie hinsoll, dann wird Ihnen jemand anders
einen Besuch abstatten, jemand, der ganz sicher nicht so freundlich und verständnisvoll ist wie ich. So läuft das bei Arkadin, da können Sie sicher sein.«
Berengária dachte eine ganze Weile nach. Die Sonne war bereits hinter den Bergen verschwunden, und der Himmel im Osten verdunkelte sich rasch. Die Fahrt zog sich in die Länge, so als würde Berengária im Kreis fahren, weil sie nicht zur Hazienda zurückkehren wollte. Schließlich trat sie auf die Bremse und wandte sich Moira zu.
»Was ist«, sagte sie mit grimmiger Entschlossenheit, »wenn ich nicht will, dass es so läuft?«
Moira registrierte die Veränderung mit großer Genugtuung und wusste, dass sie nun eine echte Chance hatte, an Berengária heranzukommen. Sie erwiderte ihren grimmigen Blick mit einem Lächeln. »Dann kann ich Ihnen, glaube ich, helfen.«
Berengária starrte sie mit einer Eindringlichkeit an, die eine andere Frau vielleicht verwirrt oder beunruhigt hätte. Doch Moira verstand, was sie wollte und wie ihr Deal aussehen würde. Sie bewunderte diese Frau und bemitleidete sie zugleich. Es war schon schwer genug, sich als Frau in einer Männerwelt zu behaupten, aber sich in der Welt der Latinos durchzusetzen war eine Aufgabe, die einer Amazone würdig war. Und doch vergaß sie bei ihren persönlichen Gefühlen nicht, was sie von Berengária wollte. Und jetzt wusste sie auch, wie sie es bekommen würde.
Sie beugte sich ganz langsam zu ihr, nahm Berengárias Kopf in ihre Hände und drückte die Lippen auf ihren Mund.
Berengárias Augen öffneten sich einen Moment lang
weit, ehe sie sich schlossen. Ihre Lippen wurden weich, dann öffneten sie sich, als sie sich dem Kuss hingab.
Moira erlebte den Augenblick der Hingabe mit einem Gefühl des Triumphs, aber auch des Mitgefühls. Dann spürte sie Berengárias Hand in ihrem Nacken, den Druck der losgelösten Leidenschaft, und sie seufzte in Berengárias süßen Mund.
»Mein Name ist Lloyd-Philips, Chief Inspector Lloyd-Philips.«
Peter Marks stellte sich vor und schüttelte die ausgestreckte Hand, die blass, schlaff und voller Nikotinflecken war. Lloyd-Philips trug einen billigen Anzug mit ausgefransten Ärmeln, er hatte einen gelblich braunen Schnurrbart und schütteres Haar, das einst dieselbe Farbe gehabt haben musste und das heute aussah wie mit Asche bestreut.
Der Chefinspektor versuchte zu lächeln, doch es wollte ihm nicht recht gelingen. Vielleicht waren die entsprechenden Muskeln verkümmert, dachte Marks ironisch. Er zeigte Lloyd-Philips seine falschen Papiere, die ihn als Mitarbeiter einer Privatfirma auswiesen, die für das amerikanische Verteidigungsministerium arbeitete, sodass er die Macht des Pentagons hinter sich hatte.
Sie standen in der leeren Lobby des Vesper-Klubs, der von der Polizei als Tatort abgesperrt worden war.
»Einer der mutmaßlichen Täter«, sagte Marks, »dürfte ein Mann sein, der für meinen Auftraggeber interessant ist. Deshalb wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn ich einen Blick auf das Bildmaterial der Sicherheitskameras werfen dürfte.«
Lloyd-Philips zuckte mit seinen mageren Schultern. »Von mir aus gern. Wir drucken schon Steckbriefe mit den Fotos der beiden Männer und verteilen sie an alle Polizeidienststellen und an das Personal in allen Bahnhöfen und Flughäfen.«
Der Chefinspektor führte ihn durch das Kasino, dann einen Gang entlang und schließlich in ein Hinterzimmer, in dem es heiß war und nach Elektronik roch. Ein Techniker saß vor einer komplexen Anlage mit Schiebereglern und einer Computertastatur. Darüber befanden sich zwei Reihen von Monitoren, von denen jeder einen anderen Teil des Kasinos zeigte. Soweit Marks erkennen konnte, blieb kein Winkel des Hauses unbeobachtet, auch nicht die Toiletten.
Lloyd-Philips beugte sich über den Techniker und murmelte etwas, worauf der Mann nickte und seine Tastatur zu bearbeiten begann. Der Chefinspektor erinnerte Marks an eine Figur aus einem typisch britischen Agententhriller. Sein gelangweilter Gesichtsausdruck war der eines Beamten, der mit den Gedanken schon im Ruhestand war.
»Hier haben wir’s«, sagte der Techniker.
Einer der Monitore wurde schwarz, dann erschien ein Bild. Marks sah die Bar in dem Raum, in dem um hohe Einsätze gespielt wurde. Dann kamen Bourne und ein anderer Mann ins Bild, bei dem es sich, wie Marks nun erkannte, um den
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