Das Bourne Duell
sagen, dass es einen grundlegenden Unterschied zwischen den Leuten draußen im Feld und denen daheim im Büro gibt. Die einen verstehen manchmal nicht die Motive der anderen und umgekehrt. Wenn wir uns draußen im Einsatz nicht gegenseitig helfen, sind wir geliefert.« Er steckte die Zigaretten ein. »Als du mir sagtest, dass du etwas so Wichtiges herausgefunden hast, dass du deine Mission ändern musst, da hab ich dir einfach geglaubt.«
»Dann sind Sie also gekommen, um den berühmten Corellos zu sehen.«
Roberto Corellos, Narsico Skydels Cousin, saß auf einem bequemen Lehnstuhl und sah Moira spöttisch an. Der große helle Raum, der großzügig mit Teppich, Porzellanlampen und Gemälden an den Wänden ausgestattet war, sah aus wie ein schönes Wohnzimmer. Doch wie Moira gleich feststellen sollte, waren die Gefängnisse in Bogotá offenbar mit keinen anderen auf der Welt zu vergleichen.
»Die amerikanischen Medien wollen mit dem berühmten Corellos sprechen, jetzt, wo es einigermaßen sicher ist, weil er im Gefängnis La Modelo sitzt.« Er zog eine Zigarre aus der Brusttasche seines Guayabera-Hemdes, biss mit großer Gebärde das Ende ab und zündete sie mit einem alten Zippo-Feuerzeug an. Mit seinem spöttischen Grinsen fügte er hinzu: »Ein Geschenk von einem meiner vielen Bewunderer.« Moira wusste nicht, ob er von der Zigarre oder dem Feuerzeug sprach.
Er blies den aromatischen Rauch zur Decke und schlug die Beine übereinander. »Von welcher Zeitung kommen Sie noch mal?«
»Ich arbeite als freie Korrespondentin für die Washington Post «, antwortete Moira. Jalal Essai hatte ihr die entsprechenden Papiere besorgt, sie wusste nicht, wie, aber es war ihr auch egal. Alles, was sie interessierte, war, dass sie damit nicht aufflog, und bis jetzt schien niemand Verdacht zu schöpfen.
Sie war vor knapp vierundzwanzig Stunden in Bogotá angekommen und hatte sofort die Erlaubnis bekommen, Corellos zu interviewen. Sie war doch ein wenig überrascht, dass es niemanden wirklich zu interessieren schien, was sie hier wollte.
»Es ist ein Glück, dass Sie jetzt gekommen sind. In einer Woche bin ich nämlich schon wieder draußen.« Corellos betrachtete die glühende Spitze seiner Zigarre. »Das war ein richtiger Urlaub für mich. Hier habe ich alles – Essen, Zigarren, Weiber zum Ficken, alles, was man sich vorstellen kann –, und ich brauch noch nicht mal einen Finger zu rühren, um das alles zu bekommen.«
»Wirklich nett«, sagte Moira.
Corellos musterte sie argwöhnisch. Er sah recht gut aus, wenn auch auf eine raue, ungehobelte Art. Und mit seinen dunklen glühenden Augen und seiner starken männlichen Präsenz war er sicher eine charismatische Erscheinung. »Sie müssen ein paar Dinge über Kolumbien wissen, Señorita Trevor. Das Land ist nicht in der Hand der Regierung, nein, nein. In Kolumbien ist die Macht aufgeteilt zwischen der FARC-Guerilla und den Drogenbaronen. Linksgerichtete Guerilla-Kämpfer und rechtsgerichtete Kapitalisten, so ungefähr kann man es
beschreiben.« Sein Lachen war so heiser und fröhlich wie der Ruf eines Aras. Er wirkte völlig entspannt, als wäre er bei sich zu Hause und nicht im berüchtigtsten Gefängnis von Bogotá. »Die FARC kontrolliert vierzig Prozent des Landes, wir die übrigen sechzig Prozent.«
»Das kommt mir ein bisschen übertrieben vor, Señor Corellos«, entgegnete Moira etwas skeptisch. »Ich glaube, ich darf das, was Sie sagen, nicht ganz wörtlich nehmen.«
Corellos griff hinter sich und legte eine halbautomatische Taurus-Pistole auf den Tisch zwischen ihnen.
Moira fühlte sich überrumpelt.
»Sie ist geladen, Sie können sich gern überzeugen.« Ihre schockierte Reaktion schien ihn zu amüsieren. »Sie können sie auch als kleines Souvenir mitnehmen. Keine Sorge – ich bekomme jederzeit eine neue.«
Er lachte erneut. Dann schob er die Pistole zur Seite. »Hören Sie, Señorita, wie die meisten Gringos verstehen Sie, glaube ich, unsere Welt hier nicht ganz. Erst letzten Monat hatten wir einen Krieg hier drin – die FARC-Guerillas gegen die … äh, Geschäftsleute. Es war ein richtiger bewaffneter Konflikt, mit AK-47-Gewehren, Splittergranaten, Dynamit, was Sie sich nur vorstellen können. Die Wärter, die hielten sich da raus. Die Armee hat das Gefängnis umstellt, aber sie trauten sich nicht herein, weil wir besser bewaffnet sind als sie.« Er zwinkerte ihr zu. »Ich wette, der Justizminister hat Ihnen nichts davon erzählt.«
»Nein, hat
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