Das Bourne Imperium
Major.
»Die Verbindung ist hergestellt«, sagte Havilland und fiel damit Wenzu ins Wort. »Es gibt keinen Taipan, dessen junge Frau in Macao ermordet worden ist. Stattdessen gibt es einen in hohem Ansehen stehenden Offizier des britischen Geheimdienstes, der sich als Taipan ausgegeben und ihm eine weitere Lüge zugespielt hat, das Echo einer vorangegangenen Lüge. Dann wird er wissen, dass er aufs Neue von der Regierung manipuliert worden ist, und zwar auf die brutalste Art und Weise manipuliert, die man sich vorstellen kann – indem man nämlich seine Frau entführt hat. Der menschliche Geist, Major, ist ein höchst empfindliches Instrument, und der seine ist viel empfindlicher, als das bei den meisten Menschen der Fall ist. Das Maß an Belastung, das er ertragen kann, hat seine Grenzen. Ich will nicht einmal darüber nachdenken, was er tun könnte – wozu wir möglicherweise gezwungen sein könnten.«
»Das war stets der schwächste Punkt in dem ganzen Drehbuch und doch zugleich auch der Kern«, sagte Lin.
»›Ein geniales Manöver‹«, unterbrach McAllister in einem Tonfall, der deutlich erkennen ließ, dass er etwas zitierte. »›Wenige Racheakte werden so leicht verstanden wie das Prinzip Auge um Auge.‹ Das haben Sie gesagt.«
»Wenn das so ist, dann hätten Sie nicht mich für die Rolle des Taipan auswählen dürfen!«, beharrte der Major. »Sie haben eine Krise hier in Hongkong, und Sie binden mir die Hände!«
»Das ist dieselbe Krise, der wir uns alle ausgesetzt sehen«, sagte Havilland mit sanfter Stimme. »Nur dass wir diesmal gewarnt sind. Und außerdem, Lin, wen sonst hätten wir denn wählen können? Welchen andern Chinesen als
den über jeden Zweifel erhabenen Chef der MI-6 in Hongkong hätte London denn für einen solchen Auftrag freigegeben, von dem ganz zu schweigen, was Sie jetzt wissen? Errichten Sie Ihre Kommandostation im Tower des Flughafens. Das Glas ist dunkel.«
Der hünenhafte Major drehte sich schweigend um und ging aus dem Zimmer. »Ist es klug, ihn gehen zu lassen?«, fragte McAllister und blickte ihm mit dem Botschafter und Catherine Staples nach.
»Sicherlich«, antwortete der Diplomat.
»Ich habe ein paar Wochen hier bei MI-6 verbracht«, fuhr der Unterstaatssekretär schnell fort. »Es ist in der Vergangenheit schon vorgekommen, dass er seine Anweisungen missachtet hat.«
»Aber nur dann, wenn diese Anweisungen von aufgeblasenen britischen Offizieren kamen, die weniger Erfahrung als er hatten. Er hat nie einen Verweis bekommen; er hatte Recht. Ebenso wie ich weiß, dass ich Recht habe.«
»Wie können Sie da so sicher sein?«
»Warum glauben Sie, dass er gesagt hat, wir hätten ihm die Hände gebunden? Es passt ihm nicht, aber er akzeptiert es.« Havilland ging hinter seinen Schreibtisch und wandte sich Catherine zu. »Bitte setzen Sie sich, Mrs. Staples. Und Sie, Edward, würde ich gerne um eine Gefälligkeit bitten, bei der es mir nicht um Vertraulichkeit geht. Sie wissen ebenso viel wie ich und sind wahrscheinlich sogar besser auf dem Laufenden, und ich werde Sie ohne Zweifel rufen, wenn ich Informationen brauche. Trotzdem würde ich gern allein mit Mrs. Staples sprechen.«
»Selbstverständlich«, sagte der Staatssekretär und griff nach ein paar Papieren, die auf dem Schreibtisch lagen, während Catherine Platz nahm. »Ich muss über eine Menge nachdenken. Wenn diese Kai-tak-Geschichte keine Finte ist – wenn es sich wirklich um eine direkte Anweisung Shengs handelt –, dann hat er sich eine Strategie einfallen lassen, die wir nicht bedacht haben, und das ist gefährlich. Nach allen meinen Überlegungen muss er seine Clearingstelle für den Währungsausgleich unter stabilen Umständen anbieten,
nicht unter chaotischen. Er könnte alles in die Luft fliegen lassen – aber er ist nicht dumm, er ist blitzgescheit. Was tut er also?«
»Betrachten Sie die Sache einmal von der umgekehrten Seite«, unterbrach ihn der Botschafter und setzte sich. »Statt seine Clearingstelle aus verschiedenen Taipans in einer Periode der Stabilität einzusetzen, tut er das in einer Situation, die instabil ist – dafür aber mit Sympathie der Bevölkerung, mit der Zielsetzung, schnell Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Kein wütender Riese, sondern eher ein besorgter Vater, der sich um die Seinen bemüht und in Streit geratene Kinder beruhigt.«
»Welchen Vorteil würde das bringen?«
»Dass es schnell geht, sonst keinen. Wer würde sich schon eine Gruppe hoch
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