Das Bourne Imperium
reden.«
»Wir reden doch«, sagte der Mann von Medusa scharf. »Ich weiß, wohin wir gehen, und wir dürfen keine Zeit vergeuden.«
»Sie müssen sich die Zeit nehmen«, beharrte der Analytiker. Die Verzweiflung in seiner Stimme veranlasste Bourne, stehen zu bleiben und ihn anzusehen und ihm dann in die finstere Ladennische zu folgen. »Sie müssen verstehen, ehe Sie irgendetwas unternehmen.«
»Was muss ich verstehen? Die Lügen?«
»Nein, die Wahrheit.«
»Sie wissen doch gar nicht, was die Wahrheit ist«, sagte Jason.
»Doch, das weiß ich, vielleicht besser als Sie . Das ist mein Job. Havillands Strategie hätte sich als richtig erwiesen, wenn Ihre Frau nicht gewesen wäre. Sie ist geflohen, sie ist uns entkommen. Und damit war die Strategie im Eimer.«
»Das ist mir bekannt.«
»Dann ist Ihnen sicherlich auch bewusst, dass Sheng, ob er sie nun identifiziert hat oder nicht, von ihr weiß, und ihre Bedeutung begreift.«
»Darüber habe ich nie nachgedacht.«
»Dann tun Sie es jetzt. In Lin Wenzus Einheit gab es einen Verräter, als diese Einheit und ganz Hongkong nach ihr suchten. Catherine Staples ist umgebracht worden, weil sie mit Ihrer Frau in Verbindung stand und weil man erkannte, dass sie durch diese mysteriöse Frau entweder bereits zu viel erfahren hatte oder etwas sehr Verhängnisvolles erfahren würde. Sheng hat mit Sicherheit Anweisung erteilt, jede auch nur mögliche Opposition auszuschalten. Wie Sie in Peking selbst erlebt haben, ist er ein Fanatiker mit Paranoia.«
»Worauf wollen Sie hinaus?«, fragte Bourne ungeduldig.
»Außerdem hat er einen brillanten Verstand, und seine Leute sind überall in der Kronkolonie.«
»Und?«
»Wenn die Morgenzeitungen und das Fernsehen die Nachricht bringen, wird er sich seine Gedanken machen und dann das Haus auf dem Victoria Peak und jeden Angehörigen von MI-6 auf Herz und Nieren untersuchen lassen, selbst wenn er das Anwesen daneben in seine Gewalt bringen und doch noch einmal den britischen Geheimdienst infiltrieren muss.«
»Verdammt noch mal, worauf wollen Sie hinaus ?«
»Er wird Havilland finden, und dann Ihre Frau.«
»Und?«
»Angenommen, das, was Sie vorhaben, scheitert? Angenommen, Sie kommen dabei um? Sheng wird keine Ruhe
geben, solange er nicht alles erfahren hat, was es zu erfahren gibt. Der Schlüssel ist ohne Zweifel die Frau bei Havilland, die große Frau, nach der alle gesucht haben. Das muss sie sein. Wenn Ihnen irgendetwas zustößt, wird Havilland sie gehen lassen müssen. Und dann wird Sheng sie in seine Gewalt bringen – in Kai-tak oder in Honolulu oder in Los Angeles oder New York. Glauben Sie mir, Mr. Webb, er wird so lange keine Ruhe geben, bis er sie hat. Er muss wissen, was gegen ihn gespielt wird, und sie ist der Schlüssel. Sonst gibt es niemanden.«
»Noch einmal, worauf wollen Sie hinaus?«
»Alles könnte aufs Neue anfangen, nur diesmal mit viel schrecklicheren Folgen.«
»Das Drehbuch?«, fragte Jason, und schreckliche Bilder aus der Schlucht in dem Vogelreservat drängten durch einen blutroten Schleier auf ihn ein.
»Ja«, sagte der Analytiker mit fester Stimme. »Nur dass diesmal Ihre Frau wirklich entführt würde, nicht nur als Teil der Strategie, um Ihre Mitwirkung zu erzwingen. Sheng würde dafür sorgen.«
»Nicht, wenn Sheng tot ist!«
»Aber das Risiko, dass unser Plan scheitert, besteht ja – das Risiko, dass er am Leben bleibt.«
»Sie versuchen hier etwas zu sagen und sprechen es nicht aus!«
»Also gut, dann will ich das jetzt tun. Als Killer sind Sie das Bindeglied zu Sheng, der, der an ihn heran kann, aber ich bin derjenige, der ihn herauslocken kann.«
»Sie?«
»Das war der Grund, weshalb ich der Botschaft gesagt habe, dass sie meinen Namen bei der Presseverlautbarung benutzen sollen. Sehen Sie, Sheng kennt mich, und ich habe sehr gut zugehört, als Sie Havilland Ihre Theorien erklärt haben. Er hat Ihnen die nicht abgenommen, und ich, offen gestanden, auch nicht. Sheng würde sich nicht zu einem Treffen mit einer unbekannten Person bereit finden, wohl aber zu einem Treffen mit jemandem, den er kennt.«
»Warum mit Ihnen?«
»Teils Wahrheit, teils Lüge«, sagte der Analytiker und wiederholte damit Bournes Worte.
»Danke, dass Sie so aufmerksam zugehört haben. Aber jetzt müssen Sie mir das erklären.«
»Zuerst die Wahrheit, Mr. Webb oder Bourne oder wie Sie sonst genannt werden wollen. Sheng weiß sowohl, was ich für meine Regierung getan habe, und auch, dass ich ganz
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