Das Bourne Imperium
er hatte ihn noch nicht lange im Ohr. Dem Tempo nach zu schließen, hatten diese Schritte höchstens zwanzig oder dreißig Meter entfernt begonnen. Auf der dritten Treppe links oder der vierten rechts. In einer der Wohnungen über einer der beiden Treppen erwartete ein Taipan seinen Besucher. Bourne musste herausfinden, welche Wohnung es war und auf welcher Etage sie lag. Der Taipan musste überrascht, ja erschreckt werden. Er musste erkennen, mit wem er sich angelegt hatte und was ihn seine Handlungen kosten würden.
Jason setzte sich wieder in Bewegung, jetzt mit den Schritten eines Betrunkenen; ein altes chinesisches Volkslied kam ihm in den Sinn. »Me li hua cherng zhan lie yue«, sang er leise und stieß sich leicht von der Wand ab, als er sich der Hure näherte. »Ich habe Geld«, sagte er freundlich, mit etwas undeutlich ausgesprochenen chinesischen Worten. »Und du, schöne Frau, hast das, was ich brauche. Wo gehen wir hin?«
»Nirgends, du bekloppter Säufer. Hau ab.«
»Bong ngo! Cheng bong ngo!«, kreischte der Bettler ohne Beine und klapperte die Gasse hinunter und stieß gegen die Mauer. »Cheng bong ngo!«, schrie er.
»Jau!«, kreischte die Frau. »Verschwinde, ehe ich deinen nutzlosen Leib von deinem Brett trete, Loo Mi! Ich hab dir gesagt, du sollst meine Geschäfte nicht stören!«
»Geschäfte? Dieser billige Säufer? Ich besorg dir etwas Besseres!«
»Mit dem hab ich nichts zu schaffen, Herzchen. Lästig ist er mir. Ich warte auf jemanden.«
»Dann hacke ich ihm die Füße ab!«, schrie die groteske
Gestalt und zog eine Fleischeraxt unter dem Rollbrett hervor.
»Was, zum Teufel, soll das?«, brüllte Bourne auf englisch und trat dem Bettler gegen die Brust, sodass der beinlose Mann und sein Brett gegen die Wand prallten.
»Es gibt noch Gesetze !«, kreischte der Bettler. »Sie haben einen Krüppel angegriffen! Sie berauben einen Krüppel!«
»Dann zeigen Sie mich doch an«, sagte Jason und wandte sich wieder der Frau zu, während der Bettler sich klappernd die Gasse hinunter entfernte.
»Sie sprechen … englisch.« Die Hure starrte ihn an.
»Sie auch«, sagte Bourne.
»Sie sprechen chinesisch, aber Sie sind kein Chinese.«
»Im Geist vielleicht doch. Ich habe Sie gesucht.«
»Sie sind der Mann ?«
»Der bin ich.«
»Ich bringe Sie zu dem Taipan.«
»Nein. Sagen Sie mir nur, welche Treppe und welche Etage.«
»Das ist gegen meine Anweisungen.«
»Das sind neue Anweisungen vom Taipan. Zweifeln Sie an seinen Anweisungen?«
»Ich muss sie von seinem Mittelsmann bekommen.«
»Dem kleinen Zhongguo ren im dunklen Anzug?«
»Der sagt uns alles. Er bezahlt uns für den Taipan.«
»Wen bezahlt er?«
»Fragen Sie ihn selbst.«
»Der Taipan will es wissen.« Bourne griff in die Tasche und holte ein Bündel zusammengefalteter Geldscheine heraus. »Er hat mir gesagt, ich soll Ihnen zusätzlich Geld geben, wenn Sie mir helfen. Er glaubt, dass ihn sein Mittelsmann möglicherweise betrügt.«
Die Frau trat einen halben Schritt zurück und presste sich gegen die Mauer. Ihr Blick wanderte zwischen dem Geld und Bournes Gesicht hin und her. »Wenn Sie lügen …«
»Warum sollte ich lügen? Der Taipan will mit mir sprechen, das wissen Sie. Sie sollen mich zu ihm bringen. Er hat mir gesagt, dass ich mich so kleiden soll und mich so verhalten,
Sie finden und seine Männer beobachten. Wie könnte ich über Sie Bescheid wissen, wenn er es mir nicht gesagt hätte?«
»Droben im Markt. Sie sollten jemanden aufsuchen.«
»Ich bin nicht dort gewesen. Ich bin sofort hier heruntergekommen.« Jason nahm ein paar Scheine aus dem Bündel. »Wir arbeiten beide für den Taipan. Da, er möchte, dass Sie das nehmen und weggehen, aber Sie sollen nicht zur Straße hinaufgehen.« Er hielt ihr das Geld hin.
»Der Taipan ist großzügig«, sagte die Hure und griff nach den Scheinen.
»Welche Treppe?«, fragte Bourne und zog das Geld zurück. »Welche Etage? Das wusste der Taipan nicht.«
»Dort drüben«, erwiderte die Frau und wies auf die andere Seite der Gasse. »Die dritte Treppe, erste Etage. Das Geld.«
»Wer steht auf der Lohnliste des Mittelsmannes? Schnell.«
»Die alte Hexe mit den Schlangen und der Dieb, der billige Goldketten aus dem Norden verkauft, und der Mann vom Imbissstand mit dem schmutzigen Fisch.«
»Und das ist alles?«
»Wir reden. Das ist alles.«
»Der Taipan hat Recht, er wird betrogen. Er wird Ihnen danken.« Bourne zog einen weiteren Schein aus dem Bündel heraus. »Aber
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