Das Bourne Ultimatum
zurückgerufen wurden. Marie war dagegen, aber ihre Einwände wurden schweigend übergangen. Die Befehle ihres Mannes waren eiskalt.
»Du musst gehen, weil ich etwas zu erledigen habe. Wir werden das nicht weiter diskutieren.«
»Es ist wieder die Schweiz, wieder Zürich, nicht wahr?«
»Was immer du willst«, antwortete Bourne, in Gedanken versunken, als sie am Quai standen, wo zwei Wasserflugzeuge auf dem Meer dümpelten. Eines hatte Jason direkt von Antigua nach Tranquility gebracht. Das andere war bereits aufgetankt für den Flug nach Guadeloupe, und Mrs. Cooper saß mit den Kindern schon drin.
»Beeil dich, Marie«, sagte Bourne. »Ich will noch mit Johnny verschiedene Dinge durchgehen und dann die beiden alten Dreckspatzen in die Zange nehmen.«
»Sie sind keine Dreckspatzen, David. Ihretwegen sind wir noch am Leben.«
»Warum? Weil sie keine Erfolgsmöglichkeit sahen und rechtzeitig kehrtgemacht haben, um ihre Ärsche zu retten?«
»Das ist nicht fair.«
»Es ist fair, bis ich das Gegenteil sage, und sie sind Dreckspatzen, bis sie mich überzeugt haben, dass sie es nicht sind. Du kennst die alten Männer des Schakals nicht - ich ja. Sie sagen alles, tun alles, lügen und schleimen sich zur Hölle und zurück, und wenn du dich rumdrehst, stechen sie dir ein Messer in den Rücken. Er besitzt sie - Körper, Geist und was von ihren Seelen übriggeblieben ist... Steig jetzt ins Flugzeug, es wartet.«
»Willst du nicht die Kinder sehen? Sag Jamie, dass...«
»Nein, es ist keine Zeit! Bring sie weg, Johnny und ich möchten den Strand untersuchen.«
»Es gibt nichts, was ich nicht schon untersucht hätte«, sagte St. Jacques mit leicht gereizter Stimme.
»Ich werde dir sagen, ob das stimmt oder nicht«, schoss Bourne zurück, mit wütendem Blick. Er lief schon über den Sand und fügte, ohne sich umzudrehen, mit lauter Stimme hinzu: »Ich habe ein Dutzend Fragen an dich, und ich bete zu Gott, dass du sie beantworten kannst.«
St. Jacques straffte sich und machte einen Schritt vorwärts, wurde aber von seiner Schwester aufgehalten. »Lass ihn«, sagte Marie mit der Hand auf seinem Arm. »Er hat einfach Angst.«
»Was? Er ist ein verdammter Hurensohn, das ist er.«
»Ja, ich weiß.«
Der Bruder sah die Schwester an. »Der Fremde, von dem du gestern gesprochen hast?«
»Ja, nur jetzt ist es noch schlimmer. Und deshalb hat er Angst.«
»Ich verstehe nicht.«
»Er ist älter geworden. Er ist jetzt fünfzig, und er fragt sich, ob er noch die Dinge tun kann, die er früher konnte, vor vielen Jahren, im Krieg, in Paris, in Hongkong. Das nagt an ihm, frisst ihn auf, weil er weiß, dass er besser sein muss, als er je war.«
»Ich denke, dass er es kann.«
»Ich weiß, dass er es kann, weil er außergewöhnliche Gründe dafür hat. Schon einmal wurden ihm eine Frau und zwei Kinder genommen. Er kann sich kaum an sie erinnern,
aber was damals geschah, war der Beginn seiner Qualen. Mo Panov glaubt das und ich auch... Jetzt, Jahre später, ist eine andere Frau, sind zwei andere Kinder in Gefahr, und jede Faser seiner Nerven muss zum Zerreißen gespannt sein.«
Aus hundert Metern Entfernung schrie Bourne: »Beeilt euch, verdammt!... Und Johnny, du Experte, ist dir aufgefallen, dass dort draußen vor dem Riff eine Sandbank ist?«
»Antworte ihm nicht erst, Johnny.«
»Eine Sandbank? Wovon redet er nur, zum Teufel?... O mein Gott, ich verstehe!«
»Ich nicht«, sagte Marie, während sie die Pier entlangliefen.
»Die Insel ist zu achtzig Prozent von Riffen umgeben, diese Bucht etwa zu fünfundneunzig Prozent. An ihnen brechen sich die Wellen, deshalb heißt sie Tranquility Island. Es gibt am Ufer keine hohen Wellen.«
»Und?«
»Wenn jemand also einen Unterwassertank benutzen würde, könnte er auf der Sandbank vor dem Riff landen, durch die Einfahrt in die Bucht kommen, wenn die Luft rein ist, und dann solange im ruhigen Wasser liegen, bis er sich einen Wächter schnappen kann. Ist mir nie in den Sinn gekommen.«
»Aber er hat dran gedacht, Bruderherz.«
Bourne saß auf der Tischkante und fixierte die beiden alten Männer vor ihm auf der Couch. Johnny starrte durchs Fenster auf die Bucht. »Warum sollten wir Sie anlügen, Monsieur?«, fragte der Held Frankreichs.
»Weil sich das Ganze anhört wie eine klassische französische Farce. Ähnliche Namen, einer tritt durch die eine Tür auf, der andere geht durch die andere Tür ab, Doppelgänger, die verschwinden und wieder auftauchen. Das riecht nach
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