Das Bourne Ultimatum
keine andere Wahl. Sie können nicht ins Hotel zurück, weil sicher alle die Explosion gehört haben, auch wenn das Orchester sehr laut ist.«
»Hört zu«, Bournes Stimme klang rau. »Einer von den drei Leuten ist der Mann, den ich suche, und ich will ihn für mich! Ihr werdet also nicht schießen, weil ich ihn erkenne, sobald ich ihn sehe. Ich scheiße auf die anderen, die können wir uns später schnappen.«
Eine Gewehrsalve krachte durch den Tropenwald, und Schreie gellten durch die Nacht. Dann hetzten drei Gestalten durchs Gebüsch. Der Erste, den es erwischte, war der blonde
Polizeioffizier. Die unsichtbare Schnur brachte ihn zu Fall, wobei sie zerriss. Der zweite Mann, schlank, groß, mit dunkler Gesichtshaut, kam dicht nach dem ersten. Er half dem anderen auf die Beine. Instinktiv, oder weil er etwas gesehen hatte, durchtrennte er, sein Messer wie eine Machete vor sich hin- und herschwingend, die hinderlichen Schnüre über dem Weg. Die dritte Figur erschien. Es war keine Frau. Es war ein Mann, in einer Mönchskutte. Ein Priester. Er war es. Der Schakal!
Bourne kroch aus dem Gebüsch auf den Pfad, die Uzi in der Hand. Ihm gehörten der Sieg, die Freiheit und seine Familie. Als die Figur in der Robe an der primitiven in den Stein gehauenen Treppe ankam, drückte Jason ab. Ein Feuerstoß kam explosionsartig aus der Mündung seiner Waffe.
Die Silhouette des Mönchs stürzte kopfüber in den Steilhang, prallte weiter unten dumpf auf den Felsen, überschlug sich, rollte weiter und blieb im Sand liegen. Bourne kletterte so schnell er konnte die unregelmäßige Treppe hinunter, gefolgt von den beiden Wachen. Er kam zum Strand, stürzte zu der Leiche hin und zog das blutgetränkte Tuch weg. Voller Entsetzen blickte er in die schwarzen Gesichtszüge von Samuel, dem Prediger, dem Judas, der seine Seele dem Schakal verkauft hatte.
Plötzlich war weiter weg das Aufheulen eines starken Doppelmotors zu hören. Ein großes Rennboot schlüpfte aus einer schattigen Ecke der Bucht und raste auf einen schmalen Durchlass im Riff zu. Ein starker Scheinwerfer suchte die Barriere ab, die aus dem schwarzen Wasser ragte. In seinem Licht konnte man auch den flatternden Wimpel der Drogenflotte der Regierung erkennen... Carlos!... Der Schakal war zwar kein Chamäleon, aber er hatte sich verändert! Er war älter, dünner und kahlköpfig geworden - er war nicht mehr der Mann mit dem scharf geschnittenen, breiten Gesicht und der muskulösen Figur wie Jason ihn in Erinnerung hatte - nur die Gesichtszüge waren geblieben, der kahle Schädel von der Sonne gebräunt. Er entkam.
Unisono heulten die Motoren auf, als das Boot durch die gefährliche Öffnung im Riff jagte und das offene Wasser erreichte.
Dann spuckte der ferne Lautsprecher metallische Worte aus, die in der tropischen Bucht ihr Echo fanden. »Paris, Jason Bourne! Paris, wenn du es wagst! Oder lieber eine gewisse kleine Universität in Maine, Dr. Webb?«
Bourne brach zusammen, und aus der offenen Halswunde lief sein Blut ins Meer.
18.
Steven DeSole, Hüter der größten Geheimnisse der CIA, zwängte sein Übergewicht aus dem Wagen. Er stand auf dem verlassenen Parkplatz eines kleinen Einkaufszentrums in Annapolis in Maryland. Die einzige Lichtquelle waren die Neonleuchten vor der geschlossenen Tankstelle, in deren Fenster ein großer deutscher Schäferhund schlief. DeSole rückte seine Stahlbrille zurecht und äugte auf seine Armbanduhr, von der er nur die Leuchtzeiger erkennen konnte. Es war zwischen 3.15 Uhr und 3.20 Uhr morgens. Er war zeitig, und das war gut so. Er musste seine Gedanken ordnen. Beim Fahren war er dazu nicht in der Lage gewesen, da er stark nachtblind war und sich voll auf die Straße konzentrieren musste. Und es war natürlich unmöglich für ihn gewesen, ein Taxi oder einen Fahrer zu nehmen.
Die Information lautete... ja, eigentlich bloß ein Name... ein ziemlich gewöhnlicher Name. Der Name sei Webb, hatte der Anrufer gesagt. Danke, hatte er geantwortet. Dann eine flüchtige Beschreibung, wie sie auf mehrere Millionen Männer passte. Er hatte dem Anrufer nochmals gedankt und den Hörer aufgelegt. Aber dann hatte in seinem analytischen Hirn ein Warnlicht aufgeleuchtet. Webb, Webb... Amnesie?... Eine Klinik in Virginia vor vielen Jahren... ein Mann, mehr tot als lebendig, aus einem Krankenhaus in New York eingeflogen... die Krankheitsakte mit der höchsten Geheimhaltungsstufe belegt, nicht einmal das Weiße Haus durfte sie sehen... Aber
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