Das Bourne Ultimatum
vielversprechender Zukunft dem Netz entgangen.
Bourne erinnerte sich an die Überschriften in den Zeitungen vor ein paar Wochen, als er in das Gesicht des jungen Amerikaners starrte. »Geh zur Legion«, sagte er.
»Wenn’s drauf ankommt, Mr. François, kann ich mich auf Sie berufen?«
»Das würde dir nicht helfen, ganz im Gegenteil. Wenn
du unter Druck stehst, sag einfach die Wahrheit. Das ist das beste.«
»Aussi bien! Er kennt die Légion. Sie nehmen keine Verrückten, wenn es irgend geht, aber sie - wie sagt man, François?«
»Sehen nicht immer so genau hin, denke ich.«
»Oui. Vor allem, wenn es... François?«
»... wenn es mildernde Umstände gibt.«
»Siehst du? Mein Freund François hat auch Verstand. Ich frage mich, wie er überlebt hat.«
»Indem ich es nicht gezeigt habe, Maurice.«
Ein Kellner mit der dreckigsten Schürze, die Jason je gesehen hatte, klopfte dem Belgier auf die Schulter. » Votre table, Rene.«
»So?« Panzerhemd zuckte mit den Schultern. »Noch ein Name. Was macht das schon? Wir essen jetzt was, und wenn wir Glück haben, werden wir nicht vergiftet.«
Zwei Stunden später, nach vier Flaschen herbem Wein, die Maurice und Ralph zu ihrem äußerst verdächtigen Fisch getrunken hatten, bereitete sich das Le Cœur du Soldat auf das allnächtliche Durchhalteritual vor: Keilereien, die immer wieder ausbrachen, wurden von muskulösen Kellnern beendet. Die lärmende Musik lieferte Erinnerungen an gewonnene und verlorene Schlachten, die Diskussionen auslösten, besonders unter denen, die immer nur zum Kanonenfutter gehört hatten. Es war das kollektive Gebrüll des unterprivilegierten Fußvolks, das es schon zu Zeiten der Pharaonen gegeben hatte, das man von Korea- und Vietnamveteranen hören konnte. Die sauber gekleideten Offiziere gaben ihre Befehle weit hinter den Linien, und das Fußvolk starb, um die Weisheit seiner Vorgesetzten zu bewahrheiten. Bourne dachte an Saigon und machte der Existenz des Cœur du Soldat keinen Vorwurf.
Der Chefbarkeeper, ein massiger, kahlköpfiger Mann mit Stahlrandbrille, griff nach dem Telefon, das am anderen Ende unter der Theke verborgen war, und hob den Hörer an sein Ohr. Jason beobachtete ihn zwischen den hin- und herwogenden Gestalten. Die Augen des Mannes sahen sich im
Raum um - was er hörte, schien wichtig zu sein, nicht, was er sah. Er sprach kurz, langte mit der Hand unter die Theke und behielt sie dort für einige Augenblicke. Er hatte eine neue Nummer gewählt. Wieder sprach er schnell und stellte dann ruhig das Telefon außer Sichtweite. Es war genau, wie es ihm der alte Fontaine auf Tranquility Island beschrieben hatte: Botschaft erhalten, Botschaft weitergegeben. Und am Ende der Empfängerleitung saß der Schakal.
Das war alles, was er an diesem Abend sehen wollte. Er musste verschiedenes erwägen, vielleicht Leute anmieten, wie er es schon in der Vergangenheit getan hatte. Entbehrliche Leute, die ihm nichts bedeuteten, Leute, die man bezahlte oder bestach, erpresste oder zwang, das zu tun, was man von ihnen wollte, ohne jede Erklärung. »Ich habe gerade den Typ gesehen, den ich hier treffen wollte«, sagte er zu den fast abwesenden Maurice und Ralph. »Er will, dass ich rauskomme.«
»Du verlässt uns?«, jaulte der Belgier.
»He, Mann, das solltest du nicht«, fügte der junge Amerikaner aus dem Süden hinzu.
»Nur für heute Nacht.« Bourne lehnte sich über den Tisch. »Ich arbeite mit einem anderen legionnaire, jemandem, der an was dreht, wo’ne Menge Kohle auf dem Spiel steht. Ich kenne euch nicht, aber ihr scheint mir anständige Kerle zu sein.« Bourne zog eine Rolle Geldscheine raus und nahm tausend Francs, fünfhundert für jeden der beiden.
»Nehmt, beide, steckt es in die Taschen, schnell.«
»Heilige Scheiße!«
»Merde!«
»Das ist keine Garantie, aber vielleicht können wir euch brauchen. Haltet euren Mund und geht zehn oder fünfzehn Minuten nach mir raus. Also, keinen Wein mehr. Ich will euch morgen nüchtern... Wann macht dieser Laden auf, Maurice?«
»Ich bin nicht sicher, ob er überhaupt zumacht. Ich bin hier schon um acht Uhr früh gewesen. Dann ist er natürlich nicht so voll...«
»Seid gegen Mittag hier. Aber mit klaren Köpfen, in Ordnung?«
»Soll ich meine Uniform anziehen?«
»Zum Teufel, nein.«
»Ich ziehe Anzug und Krawatte an. Ich habe einen Anzug und eine Krawatte, ehrlich!« Der Amerikaner hatte einen Schluckauf.
»Nein. Ihr beide kommt so, wie ihr jetzt seid, aber mit klarem Kopf.
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