Das Bourne Ultimatum
grelle weiße Licht um den Wagen herum machte die alles umgebende Finsternis noch dunkler. Das einzig wirkliche Risiko bildete die Wache an der rückwärtigen Tür. Indem er die Schatten der aufeinander folgenden Geschäfte nutzte, als würde er im Mekongdelta durch hohes Gras zu einem in Flutlicht getauchten Gefangenenlager robben, kroch Jason bei jedem abschweifenden Blick der Wache langsam weiter, wobei er gleichzeitig auch den Mann oben an der Tür auf der Treppe im Blick behielt.
Plötzlich tauchte eine weitere Figur auf, eine Frau, die einen kleinen Koffer in der einen Hand hielt, eine große Geldbörse in der anderen. Sie sprach mit dem Mann in dem schwarzen Regenmantel und lenkte so die Aufmerksamkeit der Wachen auf sich. Bourne schob sich auf Ellbogen und Knien weiter über das Pflaster vor, bis er jenen dem Wagen am nächsten gelegenen Punkt erreichte, der ihm noch ausreichend Schutz bot. Seine Position konnte unter den gegebenen Umständen nicht günstiger sein. Jetzt kam alles auf sein Timing an, auf Präzision und auf die Erfahrungen, die er in den Zeiten hatte sammeln können, die zum Teil nur bruchstückhaft in seiner Erinnerung existierten. Er musste sich erinnern! Sein Instinkt musste ihn durch den Nebel führen. Jetzt. Das Ende des Albtraums war in Sicht.
Da passierte es! Plötzlich gab es eine heftige Aktivität an
der Tür, als eine dritte Figur herausgelaufen kam und sich zu den beiden anderen gesellte. Der Mann war kleiner, trug eine Baskenmütze und eine Aktentasche. Offenbar erteilte er Befehle, die auch die rückwärtige Wache angingen, die nach vorne zum Bürgersteig rannte. Der neu Angekommene schleuderte ihm die Aktentasche entgegen. Instinktiv klemmte die Wache ihre Waffe unter den linken Arm und fing die Tasche auf.
» Allez, allez! Nous partons! Vite!«, schrie der zweite Mann und machte den anderen beiden ein Zeichen. Er ging neben der Frau, während der Mann im Regenmantel ihnen mit dem Wächter von der Tür her folgte... Der Schakal? War es Carlos? Wirklich?
Bourne wünschte verzweifelt, dass er es war - deshalb war er es! Auf das Geräusch vom Zuschlagen der Seitentür folgte das Starten des starken Motors - das Signal für die drei anderen Wächter, von ihren Posten zur rückwärtigen Tür des Wagens zu rennen. Einer nach dem anderen kletterten sie hinter dem Mann im Regenmantel her, indem sie zunächst die Waffen hineinwarfen, sich auf die Zehenspitzen stellten, mit ausgestreckten Armen den Türrahmen ergriffen, um sich daran in den Wagen zu schwingen. Dann griffen zwei Hände nach dem inneren Türgriff...
Jetzt! Bourne packte den Griff der Granate und schnellte auf die Füße, rannte, wie er nie in seinem Leben gerannt war, zu der zuschwingenden rückwärtigen Tür. Er hechtete vorwärts, machte im Flug eine Drehung, landete auf dem Rücken, ergriff die linke Türfüllung und warf die Granate hinein, den Abzug der Bombe in seiner Hand. Sechs Sekunden, dann würde sie explodieren. Jason kam mit ausgestreckten Armen auf die Knie und donnerte die Tür zu. Ein Feuerstoß war die Antwort. Aber welch ein unbeabsichtigter Umstand! Der Wagen des Schakals war kugelsicher, und das galt natürlich auch für Schüsse von drinnen! Der Stahl drang nicht nach draußen. Es gab nur die dumpfen Aufschläge und das Pfeifen der Querschläger... und die Schreie der Verwundeten drinnen.
Das glitzernde Fahrzeug schoss auf dem Boulevard Lefèbvre
vorwärts. Bourne sprang geduckt hoch und raste zu den verlassenen Geschäften auf der Ostseite der Straße. Er hatte die Straße fast überquert, als das Unmögliche geschah. Das Unmögliche!
Der Wagen des Schakals flog in die Luft, und die Explosion erhellte den dunklen Himmel von Paris. Im selben Moment kam eine braune Limousine um die nächste Ecke gerast, mit quietschenden Reifen, geöffneten Fenstern, Gesichtern in den schwarzen Vierecken und Waffen in den Fäusten, die das ganze Gebiet mit krachenden, ungezielten Schüssen bedeckten. Jason hechtete in den nächsten Eingang und nahm eine Fötusposition ein. Dies konnten die letzten Sekunden seines Lebens sein! Er hatte versagt. Versagt vor Marie und den Kindern!... Aber nicht auf diese Weise! Er schnellte vom Zement hoch, die Waffe in der Hand. Er würde töten! Töten! Wie es sich für Jason Bourne ziemte.
Dann geschah es, das Unglaubliche. Das Unglaubliche! Eine Sirene? Die Polizei? Die braune Limousine raste davon, umfuhr die Flammen des zerstörten Fahrzeugs und verschwand im Dunkel der
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