Das Bourne Ultimatum
dass es sie mit Schrecken erfüllt hatte.
Die Limousine hielt an. Beide Seitentüren wurden von dem lächelnden, sich verbeugenden Portier geöffnet, und fünf Priester stiegen aus, einer vom Vordersitz und vier aus dem geräumigen Fond. Die von hinten drängten sich sofort
finster durch die mittägliche Menge der Passanten auf dem Gehweg, wobei zwei vorne um den Wagen herumgingen und zwei hinten herum. Einer der Priester eilte an Marie vorbei, wobei seine Soutane sie berührte und sein Gesicht ihr so nah kam, dass sie die glühenden, unpriesterlichen Augen eines Mannes sehen konnte, der keinem religiösen Orden angehörte... Dann tauchte die Assoziation mit dem Emblem, dem religiösen Abzeichen, wieder vor ihr auf!
Vor vielen Jahren, als David - als Jason - von Panov intensiv therapiert wurde, ließ Mo ihn zeichnen, skizzieren, kritzeln, was immer ihm in den Sinn kam. Immer wieder tauchte der furchtbare Kreis mit dem schmalen Kruzifix auf... und wurde regelmäßig von der Bleistiftspitze zerrissen und zerstochen. Der Schakal!
Plötzlich wurden Maries Augen von einem Menschen angezogen, der die Rue de Rivoli überquerte. Es war ein großer Mann in dunkler Kleidung - ein dunkler Sweater und schwarze Hosen -, und er hinkte, schlängelte sich durch den Verkehr, wobei er sich mit der Hand vor dem Nieseln schützte, das bald in Regen übergehen würde. Das Hinken war falsch! Das Bein streckte sich, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde, und das Schwingen der Schultern war eine Gebärde, die sie nur zu gut kannte. Es war David!
Jemand anders, keine drei Meter von ihr entfernt, sah das, was sie sah, ebenfalls. Sofort hob er ein Miniaturfunkgerät an die Lippen. Marie stürzte los, die Hände wie die Klauen einer Tigerin ausgestreckt, und warf sich auf den Killer im Gewand eines Priesters.
»David!«, schrie sie und hinterließ im Gesicht des Mannes eine Blutspur.
Schüsse knallten durch die Rue de Rivoli. Die Menge geriet in Panik, viele rannten ins Hotel, alle schrien, keiften, suchten Schutz vor dem mörderischen Wahnsinn, der plötzlich in dieser zivilisierten Straße entstanden war. Bei dem heftigen Kampf mit dem Kerl, der ihren Mann töten wollte, riss das kanadische Bauernmädchen ihm die Automatic aus dem Gürtel und feuerte sie ihm in den Kopf; Blut und Hirn spritzte in die Gegend.
»Jason!«, schrie sie wieder, als der Killer umfiel, weil sie sich sofort bewusst wurde, dass sie allein mit der Leiche zu ihren Füßen dastand... wie eine Zielscheibe! Der alte aristokratische Franzose, der sie in der Lobby erkannt hatte, kam blitzschnell durch den Haupteingang, seine Automatic auf Dauerfeuer gestellt, und deckte die Limousine mit Schüssen ein. Für eine Sekunde hörte er auf und zielte neu. Er zerschmetterte die Beine eines der ›Priester‹, der auf ihn gezielt hatte.
» Mon ami!«, brüllte Bernardine.
»Hier!«, schrie Bourne. »Wo ist sie?«
»A votre droite! Auprès de ...« Ein einzelner Gewehrschuss explodierte bei der gläsernen Doppeltür des Meurice. Als er fiel, schrie der Veteran vom Deuxieme: » Les Capucines, mon ami, les Capucines!«
Bernardine fiel auf den Gehweg, und ein zweiter Gewehrschuss beendete sein Leben.
Marie war wie paralysiert, sie konnte sich nicht bewegen! Alles war wie ein Blizzard, ein Hurrikan aus eisigen Teilchen, die ihr mit solcher Wucht ins Gesicht schlugen, dass sie weder denken noch irgendeinen Sinn erkennen konnte. Haltlos weinend, fiel sie auf die Knie und brach mitten auf der Straße zusammen. Verzweifelt schrie sie: »Meine Kinder... O Gott, meine Kinder!« Da stand plötzlich ein Mann über ihr.
»Unsere Kinder«, sagte Jason Bourne. Seine Stimme war nicht die Stimme von David Webb. »Wir verschwinden von hier. Kannst du mich verstehen?«
»Ja... ja!« Marie drehte sich unbeholfen herum und kam auf die Füße. »David?«
»Natürlich bin ich David. Komm schon!«
»Du hast mich erschreckt...«
»Ich erschrecke mich selber. Machen wir uns davon! Bernardine hat uns den Ausweg freigeschossen. Halte meine Hand!«
Sie rannten die Rue de Rivoli hinunter, dann nach rechts auf den Boulevard St. Michel, bis ihnen die Pariser Spaziergänger mit ihrer nonchalance du jour klarmachten, dass sie dem Schrecken des Meurice entronnen wären. In einer Gasse
hielten sie an und umarmten sich. »Warum hast du das getan?«, fragte Marie und nahm sein Gesicht in ihre Hände. »Warum bist du von uns fortgelaufen?«
»Weil ich ohne dich besser bin, du weißt
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