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Das Bourne Ultimatum

Titel: Das Bourne Ultimatum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Priester zur Rechten des Altars ging, sollte er den KGB-General zufällig treffen - als wäre er überrascht. Ihre Begrüßung sollte knapp, ja geradezu unhöflich sein, so eilig und beiläufig, dass sie bedeutungslos erschien, die Art von Zusammentreffen, die zivilisierte, aber feindliche Bekannte nicht vermeiden können, wenn sie sich an einem öffentlichen Ort über den Weg laufen. Unmittelbare Nähe war nötig, da das Licht dort so trübe und derart voller Schatten sein würde, dass der Anwalt sonst wahrscheinlich keinen ordentlichen Blick auf den Priester würde werfen können. Ogilvie war mit der Gewandtheit eines perfekten Strafverteidigers aufgetreten, der
den Zeugen der Anklage mit einer unzulässigen Frage in eine Falle lockt und dann ruft: »Ich ziehe die Frage zurück«, und den Staatsanwalt sprachlos dastehen lässt.
    Der Schakal hatte sich sofort wütend abgewandt, aber erst nachdem eine korpulente, ältere Frau mit einer Minikamera im Griff ihrer Handtasche eine Reihe von Fotos mit einem Ultra-High-Speed-Film gemacht hatte. Dieser Beweis lag jetzt im Tresorraum von Rodtschenkos Büro.
    Die Akte war betitelt mit: ›Beschattung des Amerikaners B. Ogilvie‹.
    Auf der Seite unter dem Foto, das den Attentäter und den amerikanischen Anwalt zusammen zeigte, stand folgendes: »Objekt mit bisher nicht identifiziertem Kontakt bei geheimem Treffen in Kathedrale des heiligen Basilius. Treffen dauerte elf Minuten und zweiunddreißig Sekunden. Fotos zur möglichen Verifikation nach Paris geschickt. Es wird angenommen, dass es sich bei dem nicht identifizierten Kontakt um Carlos, den Schakal, handelt.«
    Selbstverständlich arbeitete Paris an einer Erwiderung, die mehrere Fotomontagen vom Deuxieme Bureau und der Sûreté enthielt. Die Antwort: »Bestätigt. Definitiv der Schakal.«
    Wie schockierend! Auf sowjetischem Boden!
    Dagegen hatte sich der Attentäter als weniger entgegenkommend erwiesen. Nach der kurzen, unangenehmen Konfrontation mit dem Amerikaner hatte Carlos seine eiskalte Befragung wiederaufgenommen, sein wildes, brennendes Ich nah unter der gefrorenen Oberfläche.
    »Sie sind Ihnen auf der Spur!«, sagte der Schakal.
    »Wer?«
    »Das Komitet.«
    »Ich bin das Komitet!«
    »Vielleicht täuschen Sie sich.«
    »Im KGB geschieht nichts ohne mein Wissen. Woher haben Sie diese Information?«
    »Paris. Krupkin.«
    »Krupkin würde alles tun, was ihm nützt, das Verbreiten von Fehlinformationen eingeschlossen, selbst was mich betrifft.
Er ist ein Rätsel - im einen Moment ein tüchtiger, mehrsprachiger Geheimdienstoffizier, im nächsten ein schwatzhafter Clown in französischen Federn und immer wieder Zuhälter für reisende Minister. Man kann ihn nicht ernst nehmen, nicht, wenn es ernste Angelegenheiten betrifft.«
    »Ich hoffe, Sie haben Recht. Ich rufe Sie morgen an, am späten Abend. Sind Sie da zu Haus?«
    »Nicht für einen Anruf von Ihnen. Ich werde im Lastotschka essen, allein, ein spätes Abendbrot. Was wollen Sie morgen tun?«
    »Sichergehen, dass Sie Recht haben.« Der Schakal war in der Menge der Kathedrale verschwunden.
    Das war vor mehr als vierundzwanzig Stunden gewesen, und Rodtschenko hatte nichts gehört, was den Zeitplan durcheinander gebracht hätte. Vielleicht war der Psychopath nach Paris zurückgekehrt, irgendwie überzeugt davon, dass sein paranoider Verdacht grundlos war, sein Drang, in Bewegung zu bleiben, zu hetzen, durch ganz Europa zu fliegen... Wer konnte es wissen? Carlos war ein Rätsel. Ein Teil von ihm war ein geistig zurückgebliebener Sadist, ein Muster der düstersten Methoden der Grausamkeit und des Tötens, und dennoch offenbarte ein anderer Teil einen kranken, verdrehten Romantiker, einen hirngeschädigten Jugendlichen, der einem unerreichbaren Traum hinterher lief. Konnte ihn jemand verstehen? Doch die Zeit nahte, in der eine Kugel in seinem Kopf dem Rätsel ein Ende machen würde.
    Rodtschenko hob seine Hand, um dem Kellner zu winken. Er wollte Kaffee und Brandy bestellen, den milden französischen Brandy, der den wahren Helden der Revolution vorbehalten war. Statt des Kellners kam der Geschäftsführer des Lastotschka an den Tisch gelaufen und trug ein Telefon bei sich.
    »Das ist ein dringender Anruf für Sie, General«, sagte der Mann in dem weiten schwarzen Anzug und hielt den Plastikstecker der Verlängerungsschnur, den man in die Steckdose in der Wand drücken musste.
    »Danke.« Der Geschäftsführer ging, und Rodtschenko stellte die Verbindung her.

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