Das Bourne Ultimatum
Gefangenen nieder, das Messer an den Augen des Agenten.
Die blutige, leblose Gestalt unter ihm hatte ihre letzten Worte gesprochen, und es waren Worte gewesen, die in den Ohren von Ilich Ramirez Sanchez wie Kesselpauken nachhallten. Jason Bourne war in Moskau! Es musste Bourne sein, denn der entsetzte jugendliche KGB-Mann hatte die Information in einem überströmenden, panischen Wortschwall von Sätzen und Halbsätzen herausgestoßen, um alles zu sagen, was möglicherweise sein Leben hätte retten können: »Genosse Krupkin - zwei Amerikaner, einer groß, der andere hinkt! Wir haben sie zum Hotel gebracht, dann zur Sadowaja für eine Besprechung.«
Krupkin und der verhasste Bourne hatten seine Leute in Paris umgedreht - in Paris, seinem zentralen Stützpunkt! - und hatten ihn nach Moskau verfolgt. Wie? Wer?... Doch das war egal. Jetzt zählte nur, dass das Chamäleon im Metropol war, die Verräter in Paris konnten warten. Im Metropol! Sein Feind aller Feinde war kaum eine Stunde weit entfernt in Moskau, verschlief zweifellos die Nacht, ohne eine Ahnung davon zu haben, dass er, Carlos, der Schakal, wusste, dass er da war. Der Attentäter spürte die Heiterkeit des Triumphes über Leben und Tod. Die Ärzte sagten, er würde sterben, aber Ärzte irrten sich so oft, wie sie Recht hatten, und in seinem Fall irrten sie! Der Tod von Jason Bourne würde sein Leben erneuern!
Allerdings musste er sich noch in Geduld fassen. Drei Uhr morgens war keine Zeit, um die man gesehen werden durfte, wenn man auf der Suche nach einem Mordopfer durch die Straßen oder Hotels von Moskau streifte, einer Stadt, die auch im Schutz der Dunkelheit ständiger Überwachung unterlag. Es war allgemein bekannt, dass das Nachtpersonal auf den Gängen der großen Hotels bewaffnet und sowohl wegen seiner Schießkunst als auch aufgrund seines Geschicks beim Service eingestellt worden war. Das Tageslicht brachte eine Erleichterung
von den Sorgen der Nacht. Die geschäftige Aktivität der frühen Morgenstunden war die Zeit zuzuschlagen - und zuschlagen würde er.
Die nächtliche Stunde bot ihm jedoch Gelegenheit für einen anderen Schlag, zumindest für das Vorspiel dazu. Die Zeit war gekommen, seine Jünger in der sowjetischen Regierung zusammenzurufen und sie wissen zu lassen, dass der Monseigneur angekommen war, dass ihr persönlicher Messias hier war, um sie zu befreien. Vor seiner Abreise in Paris hatte er ihre Dossiers studiert, und die Dossiers hinter diesen Dossiers, alles scheinbar fade Blätter leeren Papiers in Aktenordnern, bis sie Infrarotlicht ausgesetzt wurden und die Hitzewellen die maschinengeschriebene Schrift hervorbrachten. Er hatte einen kleinen, verlassenen Laden in der Wawilowa als Treffpunkt gewählt. Er würde jeden einzelnen seiner Leute anrufen und anweisen, um 5.30 Uhr dort zu sein. Gegen 6.30 Uhr würde seine Aufgabe beendet sein, jeder Jünger mit der Information ausgestattet, die ihn oder sie in die höchsten Kreise der Moskauer Elite bringen würde. Es war eine weitere unsichtbare Armee, viel kleiner als die in Paris, aber ebenso wirkungsvoll und Carlos zugetan, dem unsichtbaren Monseigneur, der seinen Konvertiten das Leben unendlich viel bequemer gestaltete. Und gegen 7.30 Uhr würde der mächtige Schakal dann im Metropol zur Stelle sein, bereit für die ersten Schritte der erwachenden Gäste, die Zeit der hastenden Tabletts und Tische der Zimmerkellner und das hektische Durcheinander einer Halle voller Geschnatter, voll von Ängsten und Bürokratie. Er würde bereit sein, bereit für Jason Bourne.
Einer nach dem anderen und äußerst vorsichtig trafen die fünf Männer und drei Frauen im frühen Morgenlicht am heruntergekommenen Eingang des verlassenen Ladens in der Wawilowa ein. Ihre Vorsicht war verständlich. Es war ein Bezirk, den man meiden sollte, wenn auch nicht unbedingt wegen der Gefährlichkeit der Bewohner, denn die Moskauer Polizei war in solchen Gegenden gnadenlos streng, sondern wegen des Zustandes der Häuser, die gerade renoviert wurden
- was allerdings mit dem Vorteil verbunden war, dass überall Elektrizität verfügbar war.
Carlos stand am gegenüberliegenden Ende des leeren Betonraumes, eine Lampe hinter sich auf dem Boden, die nur seine Umrisse zeigte, sein Gesicht aber im Schatten ließ. Er hatte sich außerdem mit dem hochgeschlagenen Kragen seines schwarzen Anzugs verhüllt. Rechts von ihm stand ein wackliger, niedriger Holztisch, auf dem Aktenordner ausgebreitet lagen, und zu seiner
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