Das Bourne Ultimatum
seinen eigenen Wächtern. Du musst nicht einmal das Risiko eingehen, auch nur eine einzige Wache zu töten.«
»Nein! Eine Lektion muss erteilt werden.«
»Dann lass es mich anders ausdrücken. Als du über deine Notfallkodes angerufen hast, habe ich getan, was du verlangt hast, denn im Großen und Ganzen hast du deine dreiunddreißig Jahre alten Verpflichtungen mir gegenüber erfüllt. Aber jetzt ist ein weiteres Risiko - Risiken, um genau zu sein - aufgetaucht, und ich bin nicht sicher, ob ich sie eingehen kann.«
»So redest du mit mir? «, bellte der Schakal, als er die Jacke des toten Wachmannes auszog. Die sauberen, weißen Bandagen waren stramm gespannt und hielten seine rechte Schulter stabil. Verräterisches Blut war nicht zu sehen.
»Hör mit der Theatralik auf«, sagte Enrique sanft. »Wir kennen uns nun schon so lange. Ich spreche mit einem jungen Revolutionär, dem ich mit einem großartigen Athleten namens Santos von Kuba gefolgt bin... Übrigens, wie geht es ihm? Er war die eigentliche Bedrohung für Fidel.«
»Es geht ihm gut«, antwortete Carlos mit tonloser Stimme. »Das Le Cœur du Soldat wird allerdings umziehen müssen.«
»Kümmert er sich immer noch um seine Gärten, seine englischen Gärten?«
»Ja, tut er.«
»Er hätte Landschaftsgärtner werden sollen oder Florist, glaube ich. Und ich hätte ein wunderbarer Agraringenieur werden können, ein Agronom, wie man so sagt. So haben Santos und ich uns kennen gelernt, weißt du... Und dann
kam die Politik mit ihrer Melodramatik und hat unser Leben verändert, nicht wahr?«
»Politisches Engagement hat es verändert. Die Faschisten haben es verändert.«
»Und jetzt wollen wir wie die Faschisten sein, und sie wollen das übernehmen, was an uns Kommunisten gar nicht so schlecht ist, und dann ein bisschen Geld austeilen - was nicht wirklich funktionieren wird, aber es ist eine angenehme Überlegung.«
»Was hat das mit mir zu tun, deinem Monseigneur?«
»Stinkende Scheiße, Ramirez. Wie du vielleicht weißt oder auch nicht, ist meine Frau vor ein paar Jahren gestorben, und ich habe drei Kinder auf der Universität in Moskau. Ohne meine Stellung wären sie nicht dort, und ich will, dass sie da auch bleiben. Sie werden Wissenschaftler, Ärzte... Siehst du, das sind die Risiken, von denen ich spreche. Ich habe mich bis zu diesem Augenblick im Verborgenen gehalten, und du hast dir diesen Augenblick verdient - aber jetzt vielleicht nicht mehr. In ein paar Monaten werde ich in den Ruhestand gehen, und in Anerkennung meiner Dienstjahre in Südeuropa und dem Mittelmeer wird man mir eine wunderschöne Datscha am Schwarzen Meer zuteilen, wo mich meine Kinder besuchen können. Ich werde das Leben, das ich vor mir habe, nicht unnötig aufs Spiel setzen. Also drück dich präzise aus, Ramirez, und ich werde dir sagen, ob du allein bist oder nicht, ob du auf mich rechnen kannst... Ich wiederhole, dein Eindringen hier kann nicht bis zu mir zurückverfolgt werden, und wie gesagt, du hast es dir verdient, aber weiter bin ich möglicherweise nicht bereit zu gehen.«
»Ich verstehe«, sagte Carlos und ging zu dem Koffer, den Enrique auf dem Tisch der Sakristei abgestellt hatte.
»Ich hoffe, du akzeptierst es, und mehr noch, ich hoffe, du kannst es nachempfinden. In all den Jahren bist du auf eine Art und Weise gut zu meiner Familie gewesen, wie ich es nie sein konnte, aber andererseits habe ich dir so gut gedient, wie ich konnte. Ich habe dich zu Rodtschenko geführt, habe dir Namen aus Ministerien genannt, in denen es reichlich Gerüchte gab, Gerüchte, die Rodtschenko selbst für dich untersucht
hat. Also, mein alter, revolutionärer Genosse, ich bin im Dienste deiner Sache auch nicht untätig gewesen. Allerdings stehen die Dinge jetzt anders. Wir sind keine jungen Unruhestifter mehr, auf der Suche nach Idealen, denn wir haben den Appetit auf Ideale verloren - du natürlich lange vor mir.«
»Mein Ideal bleibt das Gleiche«, unterbrach der Schakal scharf. »Für mich und alle, die mir dienen.«
»Ich habe dir gedient...«
»Das hast du deutlich gemacht, ebenso wie meine Großzügigkeit dir und den Deinen gegenüber. Und jetzt, wo ich hier bin, fragst du dich, ob ich weiteren Beistand verdient habe, das ist es doch, oder?«
»Ich muss mich schützen. Warum bist du hier?«
»Ich habe es dir gesagt. Um eine Lektion zu erteilen, um eine Botschaft zu hinterlassen.«
»Das ist ein und dasselbe?«
»Ja.« Carlos öffnete den Koffer. Er enthielt ein
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