Das Bourne-Vermächtnis
Verrückten bezeichnet, glaube ich.«
»Von ihm haben Sie also gewusst, wo Sie mich anrufen konnten«, sagte Bourne. »Ich habe ihn vielleicht etwas zu hart angefasst, aber ich wusste, dass er lügt.«
»Er hat für mich gelogen«, sagte Vadas mit unverkennbarem Stolz.
Während Annaka und die drei Männer ihn wachsam
beobachteten, trat Bourne auf Vadas zu und hielt ihm die unbrauchbare Pistole hin. Als Vadas danach griff, riss Bourne ihn zu sich heran. Im selben Augenblick zog er seine Keramikpistole und drückte sie an Vadas’ Schläfe.
»Glauben Sie wirklich, dass ich eine fremde Waffe benützen würde, ohne sie vorher zu überprüfen?«
Er wandte sich an Annaka und sagte mit ruhiger, nüchterner Stimme: »Legen Sie die Pistole auf den Boden, wenn Sie nicht wollen, dass das Gehirn Ihres Vaters über fünf Jahrhunderte Geschichte verspritzt wird. Sehen Sie ihn nicht an; tun Sie einfach nur, was ich sage.«
Annaka legte ihre Waffe auf den Fußboden.
»Befördern Sie sie mit dem Fuß zu mir her.«
Sie tat wie geheißen.
Keiner der drei Männer hatte eine Bewegung gemacht, und nun würden sie nicht mehr angreifen. Trotzdem behielt Bourne sie für alle Fälle im Auge. Er nahm die Mündung von Vadas’ Schläfe, ließ ihn los.
»Ich hätte Sie erschießen können, wenn ich das gewollt hätte.«
»Und dann hätte ich Sie umgelegt«, sagte Annaka wild entschlossen.
»Sie hätten’s bestimmt versucht«, sagte Bourne. Er hielt die Keramikpistole so, dass Vadas’ Männer und sie merkten, dass er nicht die Absicht hatte, sie zu benützen.
»Aber das wäre feindselig gehandelt. Um das zu tun, müssten wir Feinde sein.« Er hob Annakas Pistole auf und hielt sie ihr mit dem Griff voraus hin.
Sie griff wortlos danach und zielte sofort wieder auf ihn.
»Was haben Sie aus Ihrer Tochter gemacht, Herr Vadas? Sie würde für Sie töten, ja, aber ich habe den Eindruck, dass sie zu impulsiv und ohne ausreichenden Grund handelt.«
Vadas trat zwischen Bourne und seine Tochter, drückte ihre Waffe mit einer Hand herunter. »Ich habe schon genügend Feinde, Annaka«, sagte er leise.
Annaka steckte die Pistole weg, aber Bourne sah in ihrem Blick weiter Feindseligkeit blitzen.
Vadas wandte sich an Bourne. »Hätten Sie Alexej ermordet, wäre das zweifellos die Tat eines Verrückten gewesen. Und trotzdem scheinen Sie das genaue Gegenteil eines Wahnsinnigen zu sein.«
»Man hat die Morde mir angehängt, damit der wahre Täter auf freiem Fuß bleiben konnte.«
»Interessant. Weshalb?«
»Um das rauszukriegen, bin ich hergekommen.«
Vadas starrte Bourne an. Dann sah er sich um, hob die Arme. »Wäre Alexej am Leben geblieben, hätte ich mich hier mit ihm getroffen, wissen Sie. Diese Kirche ist für uns Ungarn von großer geschichtlicher Bedeutung. Im frühen vierzehnten Jahrhundert hat hier Budas erste Pfarrkirche gestanden. Die riesige Orgel auf der Empore hat bei beiden Hochzeiten König Matthias’ gespielt. Die beiden letzten ungarischen Könige, Franz Joseph I. und Karl IV, wurden hier gekrönt. Ja, dies ist geschichtsträchtiger Boden, und Alexej und ich wollten hier Geschichte machen.«
»Mit Hilfe von Dr. Felix Schiffer, stimmt’s?«, fragte Bourne.
Vadas hatte keine Zeit mehr, seine Frage zu beantworten. Im nächsten Augenblick hallte ein Schuss durch den weiten Kirchenraum, und er taumelte mit hochgerissenen Armen rückwärts. Blut sickerte aus einer Einschusswunde mitten in seiner Stirn. Bourne stürzte sich auf Annaka, begrub sie auf dem Marmorboden unter sich.
Vadas’ Männer warfen sich herum, liefen auseinander und begannen zu schießen, während sie in Deckung
flüchteten. Einer von ihnen wurde sofort getroffen: Er schlitterte über den Steinboden und war tot, bevor er aufschlug. Der zweite Mann erreichte den Rand einer Bankreihe und bemühte sich verzweifelt, hinter sie zu gelangen, als auch er von einer Kugel in die Wirbelsäule gefällt wurde. Er bäumte sich auf, und sein Revolver krachte zu Boden.
Von dem dritten Mann, der eben in Deckung ging,
sah Bourne zu Vadas hinüber, der in einer größer werdenden Blutlache auf dem Rücken lag. Er bewegte sich nicht mehr, sein Brustkorb ließ keine Atmung mehr erkennen. Weitere Schüsse lenkten Bournes Aufmerksamkeit wieder auf den dritten Mann, der sich jetzt aus geduckter Haltung erhob und mehrmals in Richtung Orgelempore schoss. Plötzlich warf er den Kopf zurück und breitete die Arme weit als, während ein Blutfleck auf seiner Brust sich rasch
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