Das Bourne-Vermächtnis
nicht.«
»Sonst würde ich Sie nämlich auf der Stelle ablösen lassen.« Die Stimme des Direktors klang grausam scharf.
»Nicht nötig, Sir.«
»Und das tue ich, wenn’s nötig ist. Ich habe keine Lust, mich mit diesem Scheiß …«
»Nicht nötig, Sir«, versicherte Hull ihm hastig. »Ich bekomme Karpow unter Kontrolle.«
»Das will ich auch hoffen.« Lindros hörte die plötzliche Mattigkeit in der Stimme des alten Kriegers und hoffte, dass Jamie sie in der elektronischen Übermittlung nicht entdecken würde. »Vor, während und nach dem Besuch des Präsidenten brauchen wir eine geschlossene Front. Ist das klar?«
»Ja, Sir.«
»Jason Bourne hat sich nicht blicken lassen, was?«
»Bisher nicht, Sir. Und glauben Sie mir, wir sind besonders wachsam gewesen.«
Lindros erkannte, dass der Direktor alle Informationen erhalten hatte, die er im Augenblick brauchte, und räusperte sich dezent.
»Jamie, mein nächster Besucher ist da«, sagte der CIA-Direktor, ohne sich umzudrehen. »Ich melde mich morgen wieder.« Er schaltete die Kamera aus, blieb mit aneinander gelegten Händen sitzen und starrte ein großes Farbfoto an, das den Mars und seine beiden unbewohnbaren Monde zeigte.
Lindros hängte seinen Regenmantel auf und setzte
sich dem Boss gegenüber. Der Raum, den der CIA-
Direktor sich ausgesucht hatte, war klein, eng und selbst mitten im Winter überheizt. An einer Wand hing ein Porträt des Präsidenten. Gegenüber befand sich das einzige Fenster, vor dem hohe Tannen aufragten: schwarz und weiß – alle Einzelheiten wurden durch die aus Sicherheitsgründen installierten starken Scheinwerfer überstrahlt. »Gute Nachrichten aus Paris«, sagte er. »Jason Bourne ist tot.«
Der Direktor hob ruckartig den Kopf. Seine Gesichtszüge, die eben noch schlaff gewesen waren, wirkten plötzlich belebt. »Sie haben ihn erwischt? Wie? Hoffentlich ist er unter Schmerzen gestorben!«
»Höchstwahrscheinlich, Sir. Er ist bei einem Verkehrsunfall auf der A1 knapp nordwestlich von Paris umgekommen. Sein Motorrad ist frontal mit einem Sattelschlepper zusammengestoßen. Eine Sûreté-Agentin war Augenzeugin.«
»Mein Gott«, flüsterte der Direktor. »Nichts übrig au
ßer einer Ölspur.« Er runzelte die Stirn. »Dass er’s war, steht außer Zweifel?«
»Bis er eindeutig identifiziert ist, bleiben immer Zweifel«, sagte Lindros. »Wir haben Bournes Zahnschema und eine DNA-Probe übermittelt, aber die französischen Stellen sagen, dass es eine Explosion mit anschließendem Brand gegeben hat, der vielleicht sogar alle Knochen vernichtet hat. Jedenfalls werden sie ein bis zwei Tage brauchen, um den Unfallort unter die Lupe zunehmen. Sie haben mir zugesichert, mich sofort zu informieren, wenn es neue Erkenntnisse gibt.«
Der CIA-Direktor nickte.
»Und Jacques Robbinet ist unverletzt«, fügte Lindros hinzu.
»Wer?«
»Der französische Kulturminister, Sir. Er war ein Freund Conklins, hat früher für ihn gearbeitet. Wir haben befürchtet, Bourne könnte es als Nächstes auf ihn abgesehen haben.«
Die beiden Männer saßen ganz still. Der Blick des Direktors war nach innen gerichtet. Vielleicht dachte er an Alex Conklin, vielleicht dachte er über die Rolle nach, die Sorge und Angst im modernen Leben spielten, und fragte sich, wie Dr. Hall das hatte voraussehen können. Er selbst war in der irrigen Annahme zum Geheimdienst gegangen, diese Arbeit könne seine angeborenen Angstzustände lindern. Und trotzdem hatte er nie daran gedacht, diesen Beruf aufzugeben. Er konnte sich kein Leben ohne ihn vorstellen; sein ganzes Wesen wurde dadurch definiert, was er war und was er in der für Zivilisten unsichtbaren Welt der Geheimdienste leistete.
»Sir, es ist spät, wenn ich das sagen darf.«
Der Direktor seufzte. »Erzählen Sie mir etwas, das ich nicht weiß, Martin.«
»Ich denke, Sie sollten zu Madeleine heimfahren«, sagte Lindros halblaut.
Sein Boss rieb sich die Stirn. Er war plötzlich sehr müde. »Maddy ist bei ihrer Schwester in Phoenix. Das Haus ist heute Abend dunkel.«
»Sie sollten trotzdem heimfahren.«
Als Lindros aufstand, sah der Direktor zu ihm auf.
»Hören Sie, Martin, Sie glauben vielleicht, der Fall Bourne sei abgeschlossen, aber das ist er nicht.«
Lindros war dabei, seinen Regenmantel anzuziehen; jetzt hielt er inne. »Das verstehe ich nicht, Sir.«
»Bourne mag tot sein, aber in den letzten Stunden seines Lebens hat er uns gründlich zum Narren gehalten.«
»Sir …«
»Er hat uns
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