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Das Bourne-Vermächtnis

Das Bourne-Vermächtnis

Titel: Das Bourne-Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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…«
    »Wenn er das nächste Mal kommt, bin ich bereit.«
    Das schwache Lächeln kehrte auf Annakas Gesicht zurück. Sie schickte ihn auf den Hof hinter der Synagoge, auf dem er – wie sie ihm versicherte – auf ihre Rückkehr warten konnte, ohne befürchten zu müssen, von jemandem angesprochen zu werden.
    Istvan Ambrus, Janos Vadas’ alter Bekannter, betete in der Synagoge, aber er reagierte durchaus freundlich, als Annaka hineinging und ihm flüsternd von dem Notfall erzählte.
    »Natürlich helfe ich Ihnen gern, soweit ich kann, Annaka«, sagte er, als aufstand und mit ihr durch den mit prächtigen Kronleuchtern geschmückten Innenraum
    ging. Hinter ihnen ragte die gewaltige Orgel mit fünftausend Pfeifen auf – ein für jüdische Gotteshäuser höchst ungewöhnliches Instrument, auf dem schon so berühmte Komponisten wie Franz Liszt und Camille Saint-Saëns gespielt hatten.
    »Der Tod Ihres Vaters hat uns alle schwer getroffen.«
    Ambrus nahm ihre Hand, drückte sie kurz. Er hatte die breiten, kräftigen Finger eines Chirurgen … oder eines Maurers. »Wie kommen Sie damit zurecht, meine Liebe?«
    »Einigermaßen«, sagte sie leise und ging ins Freie voraus.
    Bourne saß auf dem Hof, unter dessen Erde die sterblichen Überreste von fünftausend Juden lagen, die in dem strengen Winter 1944-1945 umgekommen waren, als Adolf Eichmann die Synagoge in einen Sammelplatz verwandelt hatte, von dem aus er die zehnfache Anzahl in Vernichtungslager geschickt hatte. Der Hof zwischen den Bogengängen der inneren Loggia war mit hellen Gedenksteinen angefüllt, zwischen denen dunkelgrüner Efeu rankte. Auch die Stämme der hier gepflanzten Bäume waren von Efeu umrankt. Ein kalter Wind ließ das Laub rascheln: ein Geräusch, das man an diesem Ort für fernes Stimmengemurmel hätte halten können.
    Es war schwierig, hier zu sitzen und nicht an die Toten und das schreckliche Leid in jener dunklen Zeit zu denken. Bourne fragte sich, ob jetzt wieder eine dunkle Zeit heraufzog. Er blickte aus seinen trübseligen Gedanken auf und sah Annaka in Begleitung eines eleganten kleinen Mannes mit rundem Gesicht, schmalem Schnurrbart und rosigen Wangen zurückkommen. Er trug einen braunen Dreiteiler, und die Schuhe an seinen kleinen Füßen waren auf Hochglanz poliert.
    »Sie sind also der Unglücksrabe«, sagte er, nachdem Annaka sie bekannt gemacht und ihm versichert hatte, Bourne spreche Ungarisch. »Nein, nein, nicht aufstehen«, wehrte er ab, als er sich neben ihn setzte und mit der Untersuchung begann. »Hmmm, Annaka hat die
    Schwere Ihrer Verletzungen untertrieben, fürchte ich. Sie sehen aus wie durch einen Fleischwolf gedreht.«
    »Genauso fühle ich mich auch, Doktor.« Er zuckte
    unwillkürlich zusammen, als Ambras’ Finger eine besonders schmerzhafte Stelle abtasteten.
    »Als ich auf den Hof gekommen bin, habe ich Sie tief in Gedanken gesehen«, sagte der Arzt im Plauderton. »In gewisser Weise ist dies ein Schreckensort, dieser Hof, der uns an die erinnert, die wir verloren haben – und daran, was die gesamte Menschheit durch den Holocaust verloren hat.« Seine Finger waren überraschend zart und beweglich, als sie über Bournes empfindliche Körperhälfte glitten. »Aber die damalige Zeit war nicht nur schlimm, wissen Sie. Kurz bevor Eichmann und sein Stab einmarschierten, halfen mehrere Geistliche dem Rabbi, siebenundzwanzig Thorarollen aus dem Thoraschrein der Synagoge zu bergen. Sie nahmen sie mit, diese Priester, und vergruben sie auf einem christlichen Friedhof, wo sie bis Kriegsende vor den Nazis sicher waren.« Er lächelte schwach. »Was lernen wir daraus? Selbst ins tiefste Dunkel kann ein Lichtstrahl fallen. Auch von unerwarteter Seite kann uns Mitleid entgegengebracht werden. Und Sie haben zwei gebrochene Rippen.«
    Er stand auf. »Kommen Sie, wir fahren zu mir nach Hause, damit ich Sie richtig verbinden kann. In ungefähr einer Woche lassen die Schmerzen nach, und dann sind Sie bald wieder gesund.« Er hob mahnend einen dicken Zeigefinger. »Aber bis dahin müssen Sie mir versprechen, sich zu schonen. Keine großen körperlichen Anstrengungen. Am besten überhaupt keine Anstrengungen.«
    »Das kann ich Ihnen nicht versprechen, Doktor.«
    Dr. Ambrus seufzte, während er rasch zu Annaka hinübersah. »Wieso überrascht mich das eigentlich nicht?«
    Bourne stand ebenfalls auf. »Tut mir Leid, aber ich rechne damit, alles tun zu müssen, was Sie mir gerade verboten haben. Deshalb möchte ich Sie bitten, alles zu

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