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Das Bourne-Vermächtnis

Das Bourne-Vermächtnis

Titel: Das Bourne-Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Budapest ein sicheres Haus – sie hatte sogar mehrere, aber er dachte nicht daran, mit seinem blutenden Arm in einem dieser Häuser aufzukreuzen und so seine Vorgesetzten darauf aufmerksam zu machen, dass er’s nicht geschafft hatte, den Mann umzulegen, den er im Auftrag des Direktors hatte liquidieren sollen. In seiner Abteilung der Agency zählten nur Erfolge.
    Ilona war zu Hause, als er – den verletzten Arm an sich gedrückt – vor ihrer Tür stand. Er schickte sie in die Küche, um sie eine Mahlzeit zubereiten zu lassen – etwas Proteinhaltiges, damit er wieder zu Kräften kam. Dann verschwand er im Bad, machte den Oberkörper frei und wusch sich das Blut vom rechten Arm, bevor er Wasserstoffperoxyd drüberkippte. Von dem brennenden Schmerz, der seinen Arm durchzuckte, zitterten ihm die Beine, sodass er sich kurz auf den geschlossenen WC-Deckel setzen musste, bis er sich erholt hatte. Wenig später war der Schmerz zu einem dumpfen Pochen geworden, und er
    konnte den ihm zugefügten Schaden abschätzen. Die gute Nachricht war, dass die Wunde sauber war, weil er einen glatten Oberarmdurchschuss hatte. Er beugte sich zur Seite, um den rechten Ellbogen auf den Waschbeckenrand stützen zu können, kippte noch mehr Peroxyd in die Wunde und pfiff dabei leise durch die Zähne. Dann stand er auf und suchte in den Hängeschränken vergeblich nach Mullbinden, Heftpflaster oder sonstigem Verbandmaterial.
    Unter dem Waschbecken fand er jedoch eine Rolle starkes Gewebeband, von dem er mit einer Nagelschere ein langes Stück abschnitt, das er straff um seinen Oberarm wickelte.
    Als er aus dem Bad kam, hatte Ilona die Mahlzeit fertig. Er setzte sich an den Küchentisch und verschlang das Essen, ohne es wirklich zu schmecken. Es war heiß und nahrhaft, mehr interessierte ihn nicht. Sie stand hinter ihm und massierte seine angespannten Schultermuskeln.
    »Du bist ganz verkrampft«, sagte Ilona. Sie war zierlich und schlank, hatte blitzende Augen, lächelte viel und hatte Kurven an allen richtigen Stellen. »Was hast du gemacht, nachdem du aus dem Bad gestürmt bist? Da warst du richtig entspannt.«
    »Arbeit«, sagte er lakonisch. Wie er aus Erfahrung wusste, war es unklug, ihre Fragen unbeantwortet zu lassen, obwohl er nicht die geringste Lust hatte, Konversation zu machen. Er musste seine Kräfte sammeln, um den zweiten und endgültigen Überfall auf Bourne zu planen. »Ich habe dir gesagt, dass meine Arbeit kein Zuckerschlecken ist.«
    Ihre begabten Finger kneteten weiter seine Verkrampfung weg. »Dann wär’s mir lieber, du würdest sie aufgeben.«
    »Ich liebe meine Arbeit«, sagte er und schob den leeren Teller von sich fort. »Ich würde sie niemals aufgeben.«
    »Und trotzdem bist du verdrießlich.« Sie kam nach vorn, streckte ihm die Hand hin. »Komm ins Bett. Ich bringe dich auf andere Gedanken.«
    »Geh schon voraus«, sagte er. »Warte auf mich. Ich muss ein paar geschäftliche Telefongespräche führen. Anschließend gehöre ich ganz dir.«
    In dem kleinen, anonymen Zimmer eines Budapester
    Flohhotels kündigte der Morgen sich mit Verkehrslärm und Stimmengewirr an. Die Geräusche der erwachenden Großstadt drangen durch die papierdünnen Wände und weckten Annaka aus ihrem unruhigen Schlaf. In der bleigrauen Morgendämmerung lag sie eine Zeit lang unbeweglich in dem Doppelbett, das sie sich mit Bourne teilte. Schließlich drehte sie den Kopf zur Seite und starrte ihn an.
    Wie ihr Leben sich verändert hatte, seit sie ihm auf der Treppe zur Matthiaskirche begegnet war! Ihr Vater war tot, und nun konnte sie nicht in ihr eigenes Apartment zurück, weil Chan und die CIA wussten, wo sie wohnte.
    Tatsächlich konnte sie ihre meisten Besitztümer ohne weiteres verschmerzen – nur den Flügel nicht. Die Sehnsucht, die sie empfand, glich der – das hatte sie irgendwo gelesen –, unter der eineiige Zwillinge litten, wenn sie durch große Entfernungen voneinander getrennt waren.
    Und Bourne? Was empfand sie für ihn? Schwer zu beurteilen, denn in ihrem Inneren war schon in frühester Kindheit ein Schalter umgelegt worden, der alle Gefühlsregungen ausschaltete. Dieser Mechanismus, eine Unterform des Selbsterhaltungstriebs, war selbst den Fachleuten, die solche Phänomene angeblich studierten, ein völliges Rätsel. Er war so tief in ihrer Psyche vergraben, dass sie ihn nie erreichen konnte: ein weiterer Aspekt ihres Überlebenswillens.
    Wie in allen anderen Punkten hatte sie Chan belogen, als sie behauptet hatte, sie

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