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Das Bourne-Vermächtnis

Das Bourne-Vermächtnis

Titel: Das Bourne-Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Ihr Vater hatte sie nie gewickelt oder ihr Gutenachtgeschichten vorgelesen; er war nie zur Verleihung von Schul- oder Hochschuldiplomen gekommen, weil er immer auf Reisen gewesen war, und ihre Geburtstage hatte er grundsätzlich vergessen. Eine weitere Träne, auf die sie nicht geachtet hatte, rollte langsam über ihre Wange, und Annaka schmeckte im Mundwinkel Salz, als sei es die Bitterkeit ihrer Erinnerungen.
    Sie warf ihren Kopf in den Nacken. »Ein Kind kann seinen Vater anscheinend nie ganz verdammen.«
    »Ich meinen schon«, bemerkte Spalko.
    »Das war etwas anderes«, sagte sie. »Und außerdem weiß ich, was du für meine Mutter empfunden hast.«
    »Ich habe sie geliebt, ja.« Spalko glaubte, wieder Sasa Vadas’ Gesicht vor sich zu sehen: die großen leuchtenden Augen, ihren makellosen Teint, die vollen Lippen, wenn ihr zurückhaltendes Lächeln einem bestätigte, dass man ihrem Herzen nahe war. »Sie war völlig einzigartig, ein ganz besonderer Mensch, eine Fürstin, wie schon ihr Name angedeutet hat.«
    »Sie hat ebenso zu deiner Familie wie zu meiner gehört«, sagte Annaka. »Sie hat dich völlig durchschaut, Stepan. In ihrem Herzen hat sie die Tragödien nachgefühlt, die du durchlitten hast, ohne dass du ihr jemals davon erzählen musstest.«
    »Ich habe lange gewartet, bis ich mich an deinem Vater gerächt habe, Annaka, aber ich hätte es nicht getan, wenn ich nicht gewusst hätte, dass das auch dein
    Wunsch war.«
    Annaka lachte, war wieder ganz die Alte. Das kurze Intermezzo, in dem sie in Gefühlen geschwelgt hatte, widerte sie jetzt an. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dir das abnehme, Stepan?«
    »Hör zu, Annaka …«
    »Überleg dir bitte, wen du zu beschwatzen versuchst.
    Ich kenne dich – du hast ihn liquidieren lassen, als du’s für nötig gehalten hast. Und du hattest Recht; er hätte Bourne alles erzählt, und Bourne hätte sich sofort mit aller Kraft daran gemacht, dich aufzuspüren. Dass auch ich den Tod meines Vaters wollte, war reiner Zufall.«
    »Jetzt unterschätzt du deine Bedeutung für mich.«
    »Das mag stimmen oder auch nicht, Stepan, aber mir ist’s egal. Ich wüsste nicht, wie man eine emotionale Beziehung aufbaut, selbst wenn ich es wollte.«
    Martin Lindros legte die von dem Alten unterzeichnete Vollmacht Randy Driver, dem Direktor der Entwicklungsabteilung für taktische nichttödliche Waffen, persönlich vor. Driver starrte Lindros an, als könnte er ihn dadurch einschüchtern, nahm sie kommentarlos entgegen und ließ sie auf seinen Schreibtisch fallen.
    Er stand da wie ein Marineinfanterist: Rücken durchgedrückt, Bauch eingezogen, Muskeln angespannt, als mache er sich zum Kampf bereit. Seine eng stehenden blauen Augen schienen fast zu schielen, so konzentriert war er. In seinem Dienstzimmer mit den weißen Metallwänden hing noch ein schwacher antiseptischer Geruch, als habe Driver es für richtig gehalten, den Raum vor Lindros’ angekündigtem Besuch desinfizieren zu lassen.
    »Wie ich sehe, haben Sie seit unserem letzten Gespräch fleißig geackert«, sagte er, ohne sein Gegenüber anzusehen. Anscheinend hatte er gemerkt, dass er Lindros nicht allein durch Blicke würde einschüchtern können. Deshalb verlegte er sich jetzt auf verbale Einschüchterung.
    »Ich ackere immer fleißig«, sagte Lindros. »Nur haben Sie mir unnütz Arbeit gemacht.«
    »Pech für Sie.« Drivers Gesicht knarrte geradezu, so verkrampft war sein Lächeln.
    Lindros verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »Wieso betrachten Sie mich als Feind?«
    »Vermutlich weil Sie der Feind sind. «. Driver setzte sich endlich hinter seinen Schreibtisch aus Stahl und Rauchglas. »Oder als was würden Sie jemanden bezeichnen, der herkommt und meinen Hinterhof aufgraben will?«
    »Ich ermittle nur wegen …«
    »Erzählen Sie mir keinen Scheiß, Lindros!« Driver sprang mit aschfahlem Gesicht auf. »Ich kann eine Hexenjagd aus hundert Schritt Entfernung riechen! Sie sind der Spürhund des Alten. Mich können Sie nicht täuschen. Hier geht’s nicht um den Mord an Alex Conklin.«
    »Und wie kommen Sie darauf?«
    »Weil diese Ermittlungen sich gegen mich richten!«
    Jetzt war Lindros wirklich interessiert. Weil er merkte, dass Driver ihm eine Chance gegeben hatte, nutzte er sie mit wissendem Lächeln. »Weshalb sollten wir denn gegen Sie ermitteln, Randy?« Er wählte seine Worte sorgfältig, sagte bewusst »wir«, um Driver zu signalisieren, dass er die gesamte Autorität des

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