Das Bourne-Vermächtnis
überlegend war sie bereits zu dem Peugeot des Ministers unterwegs. Sie blaffte ihren Sûreté-Zugangscode und verlangte die Dienststelle des Verbindungsoffiziers. Sie erreichte den Peugeot, entriegelte die Türen und glitt hinters Steuer. Da Alarmstufe rot herrschte, dauerte es nicht lange, bis Bérard die gewünschte Auskunft enthielt: In Goussainville und Umgebung war kein Militärkurier unterwegs.
Sie ließ den Motor an und legte den ersten Gang ein.
Inspektor Savoys fragender Schrei ging im Quietschen der Reifen des Peugeot unter, als sie mit durchgetretenem Gaspedal die Straße entlang beschleunigte, um die Verfolgung der Voxan aufzunehmen. Sie konnte nur
vermuten, Bourne habe Savoy und sie erkannt und deshalb befürchtet, er sitze in der Falle, wenn er nicht sofort flüchte.
Der dringende CIA-Fahndungsaufruf, den sie gelesen hatte, betonte ausdrücklich Bournes Fähigkeit, sein Aussehen verblüffend rasch zu verändern und ebenso schnell neue Identitäten anzunehmen. War er der Kurier – und welche andere Möglichkeit gab es, wenn man’s recht bedachte? –, dann würde ihre Karriere eine ganz neue Richtung nehmen, wenn sie ihn verhaftete oder liquidierte.
Bérard konnte sich vorstellen, wie der Minister – so dankbar, weil sie ihm das Leben gerettet hatte – sich für sie verwandte, sie vielleicht sogar zur Leiterin des zu seinem Schutz abgestellten Geheimdienstpersonals machte.
Aber zuerst musste sie diesen angeblichen Kurier stellen. Zu ihrem Glück war der Peugeot des Ministers keine gewöhnliche Limousine in Standardausführung. Sie
merkte bereits, wie der getunte Motor reagierte, als sie durch eine Linkskurve driftete, bei Orange über eine Kreuzung schoss und einen schwerfälligen Sattelschlepper rechts überholte. Den empörten Aufschrei seiner Pressluftfanfaren ignorierte sie. Ihr ganzes Wesen war darauf konzentriert, zu der Voxan Sichtkontakt zu halten.
Anfangs konnte Bourne nicht glauben, dass er so schnell enttarnt worden sein sollte, aber als der Peugeot ihn hartnäckig weiterverfolgte, musste er einsehen, dass etwas schrecklich schief gelaufen sein musste. Er hatte gesehen, wie Robbinet von der Sûreté eskortiert wurde, und wusste, dass ein Agent seinen Wagen fuhr. Die angenommene Identität würde jetzt nicht ausreichen, um ihn zu schützen; er würde seine Verfolger um jeden Preis abschütteln müssen. Bourne schlängelte sich nach vorn gebeugt durch den Verkehr, wechselte immer wieder das Tempo und variierte die Art und Weise, wie er langsamere Fahrzeuge überholte. Er bog in gefährlichen Schräglagen ab und war sich dabei bewusst, dass er jederzeit stürzen und mit der aufheulenden Voxan über den regennassen Asphalt schlittern konnte. Seine Spiegel zeigten ihm jedoch, dass er es nicht schaffte, den Peugeot abzuschütteln.
Schlimmer noch: Sein Verfolger konnte den Abstand zwischen ihnen anscheinend verringern.
Obwohl die Voxan sich geschickt durch den Verkehr schlängelte und obwohl ihr Peugeot weniger wendig war, verringerte Bérard den Abstand zwischen ihnen. Sie hatte den in allen Ministerautos installierten Schalter betätigt, der Scheinwerfer und Heckleuchten blinken ließ, und dieses Signal veranlasste die aufmerksameren Autofahrer, ihr Platz zu machen. Vor ihrem inneren Auge liefen die immer komplizierteren und haarsträubenderen Szenen von Vorsicht, Autodiebe! ab. Die vorbeiflitzenden Stra
ßenbilder und die Fahrzeuge, denen sie ausweichen oder die sie überholen musste, waren denen des Computerspiels erstaunlich ähnlich. Um die Voxan nicht aus den Augen zu verlieren, musste sie sich einmal blitzschnell dafür entscheiden, kurz über den Gehsteig zu fahren.
Fußgänger spritzten vor ihr auseinander.
Plötzlich sah sie weit vor sich die Auffahrt zur A1 und wusste, dass Bourne dorthin unterwegs sein musste. Die beste Chance, ihn zu stellen, hatte sie, bevor er die Autobahn erreichte. Sie biss sich grimmig entschlossen auf die Unterlippe, nutzte die volle Leistung des aufheulenden Motors aus und verringerte den Abstand noch mehr. Die Voxan hatte nur mehr zwei Autos Vorsprung. Bérard zog nach links, überholte den ersten Wagen und signalisierte dem zweiten Fahrer, er solle zurückbleiben. Das tat er bereitwillig, denn ihre aggressive Fahrweise wirkte ebenso einschüchternd wie die blinkenden Scheinwerfer des Peugeot.
Bérard war entschlossen diese Chance zu nutzen. Die Auffahrt kam rasch näher, also hieß es: Jetzt oder nie! Sie lenkte den Peugeot auf den Gehsteig,
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