Das Brandhaus - Roman
erkundigte sich Irene.
»Nicht wirklich … aber sonderlich weit ist es auch nicht. Ich wohne in Kålltorp.«
»Dann haben Sie den Brand vor drei Wochen also nicht beobachtet?«
»Nein. Es passierte erst am späten Abend. Mama und Papa haben es aber gesehen.«
»Können Sie uns die Adresse und Telefonnummer Ihrer Mutter geben? Es wäre gut, wenn wir diese Fragen möglichst rasch klären könnten«, sagte Tommy und lächelte.
Petra nickte und schrieb ihm beides auf einen Zettel.
Das Haus bestand aus düster braunroten Ziegelsteinen. Unerschütterlich ruhte es auf einem Fundament aus Granit. Über der Haustür stand die Jahreszahl 1906. Ein altertümlicher Fahrstuhl transportierte sie unter quietschendem Protest ins vierte Stockwerk.
Die Wohnungstür wurde geöffnet, und die Kriminalbeamten empfing nicht derselbe angenehme Duft wie eben. Die Wohnung war vollkommen eingeraucht. Ein schwarzer Zwergpudel kläffte und sprang an ihren Beinen hoch. Das wütende Kläffen hallte im Treppenhaus wider.
Anna Jonsén wirkte etwas farbloser als ihre Tochter, besaß aber denselben Körperumfang, der ihr jedoch nicht sonderlich zum Vorteil gereichte, schließlich war Petra hochschwanger. Anna Jonsén hatte jedoch ein nettes Gesicht, und sie war sorgfältig gekleidet mit einem Jeansrock und passender hellblauer Bluse. Ein Blau, das zu ihrer Augenfarbe passte. Ihr herzliches Lächeln wirkte echt.
»Treten Sie doch ein. Ich fürchte nur leider, dass ich Ihnen nicht sonderlich viel erzählen kann. Ich habe nicht gesehen …«
Der letzte Satz ging in einem Gemurmel unter, als sie vor ihnen her durch einen langen Flur ging, der in ein großes Wohnzimmer führte.
»Nehmen Sie doch Platz. Ich habe gerade Kaffee gekocht. Sie trinken doch sicher eine Tasse?«
Sie nahmen dankend an. Irene fand, dass der Tag doch noch gut angefangen hatte: Das würde ihre sechste Tasse vor dem Mittagessen.
Sie setzten sich auf seidenbezogene Stilmöbelsesselchen. Der dunkelaltrosa Stoff war wie der des Sofas stark verblichen. Die Sessel waren hart und unbequem. Eine kleine Kommode mit Marmorplatte schien ebenfalls zum Ensemble zu gehören. Auf der Platte standen gerahmte Fotos und kleine Puppen in Tracht. Durch eine offene Schiebetür sah Irene ein bequemes Ledersofa und einen dazu passenden Fernsehsessel mit Hocker. Offenbar das Fernsehzimmer mit der gemütlicheren Sitzgruppe,
auf der Herr und Frau Jonsén ihre Zeit verbrachten, wenn sie allein waren. Irene konnte sie verstehen, denn die seidengepolsterten Möbel eigneten sich kaum zum Sitzen.
Anna Jonsén betrat mit einem Tablett das Zimmer und stellte es vorsichtig vor den Beamten auf den Tisch. Die noch lauwarmen Schnecken auf einem Teller dufteten nach Zimt. Vermutlich dieselben Zimtschnecken, die sie schon in dem Süßwarenladen gesehen hatten.
»Ihr ehemaliger Mitschüler Göran Jansson sagt, dass Sie hier schon Ihr ganzes Leben wohnen und einen guten Überblick über die Gegend haben«, begann Tommy.
»Guter Überblick ist zu viel gesagt. Das ist beim Korsvägen unmöglich. Hier herrscht immer ziemlich viel Verkehr, und so viele Leute kommen hier durch …«
»Das versteht sich natürlich. Ich dachte auch mehr an die Leute, die hier wohnen. Die müssten Sie doch eigentlich recht gut kennen.«
»Doch … vielleicht einige von ihnen.«
»Wir interessieren uns natürlich für alles, was Sie über das Haus wissen, das abgebrannt ist. Wir möchten gerne so viel wie möglich über den alten Mann erfahren, der dabei umgekommen ist. Aber vielleicht wollen Sie ja gerne erst etwas über sich erzählen.«
»Tja … meine Güte …«
Sie verstummte und schien nachzudenken. Dann holte sie tief Luft.
»Wir sind hierher gezogen, als ich fünf Jahre alt war. Vorher wohnten wir in Annedal. Papa kaufte den Tabakladen, und etwa gleichzeitig zogen meine Eltern in diese Wohnung hier. Ich war im siebten Himmel, denn ich bekam ein eignes Zimmer. Vorher hatten wir nur ein Zimmer und Küche und jetzt plötzlich drei Zimmer und eine Kammer. Stellen Sie sich das mal vor!«
Sie biss von ihrer Schnecke ab und kaute genüsslich, dann fuhr sie fort:
»Papa war herzkrank und starb 1973 an einem Herzinfarkt.
Zu diesem Zeitpunkt arbeitete ich schon seit ein paar Jahren mit im Geschäft. Ich habe es dann gemeinsam mit meiner Mutter weiterbetrieben, bis diese vor elf Jahren starb.«
Sie verstummte und biss sich auf die Unterlippe.
»Haben Sie vor elf Jahren auch in dieser Wohnung gewohnt?«, fragte Tommy.
Anna
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