Das Brandhaus - Roman
gewissermaßen.«
Sie stellten Frau Jonsén ein paar weitere Fragen, kamen aber rasch zu dem Schluss, dass sie von dem alten Mann nicht viel mehr wusste.
Der kläffende Felix und sein freundliches Frauchen begleiteten sie zur Tür.
Im quietschenden Fahrstuhl sagte Irene:
»Ihr Hundchen wird früh sterben. Die Abgase hier am Korsvägen und der Zigarettenqualm in der Wohnung … die Töle hat keine große Chance!«
Jonny und ich fahren nach Torslanda«, sagte Irene und schlüpfte in ihre Jacke.
»Und ich muss also den Bericht über unsere Untersuchungen am Korsvägen schreiben«, stellte Tommy fest.
Seine Stimme klang säuerlich, und er versuchte das erst gar nicht zu verbergen. Irene tat so, als würde sie es nicht bemerken.
»Tja … die Chefin hat doch angeordnet, dass du dich um die Mumie kümmern sollst. Bye-bye!«
Mit einem spöttischen Lächeln verschwand sie durch die Tür seines neuen Dienstzimmers, das näher beim Zentrum der Macht lag als sein altes, sprich ihr jetziges.
Die protzige Villa aus sahneweißen Ziegeln lag auf einer Anhöhe. In der einen Richtung bot sich eine Aussicht über die Dächer der unterhalb gelegenen Häuser, in der anderen sah man auf den Torslandavägen. Das Haus hatte große Fenster und großzügige Terrassen in drei Himmelsrichtungen. Eine richtige Schärenvilla, die abgeschieden auf einer Halbinsel liegen müsste, dachte Irene. Aber dann hätte sie vermutlich ein paar Millionen mehr gekostet.
Der Garten war von einer grünenden Hecke umgeben. Bei der Auffahrt stand eine Garage. Ein schmiedeeisernes Tor trennte die gepflasterte Auffahrt von der Straße. Jonny drückte die vergoldete Klinke herunter, und sie gingen auf eine blau lackierte Haustür zu. In Kopfhöhe befand sich ein bullaugenrundes
Fenster. Sie betonen wirklich das Maritime, dachte Irene, obwohl das Meer einige Kilometer entfernt liegt.
Die Haustür öffnete sich erst, nachdem Jonny eine Ewigkeit geklingelt hatte. Der Mann, der die Tür aufriss, war Alexandras Vater, Jan Hallwiin, den sie bereits am Vortag getroffen hatten. Da hatte er mit versteinerter Miene in einem Sessel gesessen und sich stumm Irenes Bericht angehört, wie die Polizei seine Tochter gefunden hatte. Seine Frau Marina war auf einem Hocker vor dem offenen Kamin niedergesunken und hatte geweint. Bereits da hatte es Irene verwundert, dass sich die Eltern so weit voneinander entfernt platziert hatten. Für gewöhnlich rückten Menschen, die Trauernachrichten erhielten, zusammen, umarmten sich und versuchten sich gegenseitig zu trösten. Jan Hallwiin hatte nicht den geringsten Versuch unternommen, sich seiner Frau zu nähern. Menschen, die einen Schock erlitten, benahmen sich aber oft irrational, auch das hatte Irene im Laufe der Jahre erlebt.
»Meine Güte, müssen Sie so klingeln!«, brüllte Jan Hallwiin.
Er stand schwankend in der offenen Tür. Auch aus mehreren Metern Entfernung merkte Irene, dass er alkoholisiert war.
»Wir haben uns für drei Uhr angekündigt«, erwiderte Jonny gelassen.
Jan Hallwiin entgegnete nichts, sondern sah sie nur mit seinen blutunterlaufenen Augen an.
»Dürfen wir reinkommen?«, fragte Irene.
Ehe er noch antworten konnte, hatten Jonny und sie sich auch schon an ihm vorbei in die Diele gezwängt. Sie behielten ihre Jacken an, obwohl es ein warmer Tag war. Jonny drehte sich zu dem Mann um, der immer noch die Tür aufhielt. Wahrscheinlich war es nur gut, dass er sich irgendwo abstützte.
»Ist Ihre Frau zu Hause?«
Jan Hallwiin deutete nach oben, sagte aber nichts. Daraus schloss Irene, dass Marina Hallwiin sich im Obergeschoss befand. Auf dem Weg nach oben vernahm Irene halbersticktes Schluchzen. Sie folgte dem Geräusch und öffnete eine angelehnte Tür.
Zweifellos war das Alexandras Zimmer. Ihre Mutter saß auf dem Bett. Sie hatte ihr Gesicht im Kopfkissen des Mädchens vergraben. Vielleicht versuchte sie, ihr Schluchzen zu ersticken. Vielleicht wollte sie auch den Geruch ihrer Tochter einatmen, der noch in dem Kissen hing.
Irene trat auf Marina Hallwiin zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Die Frau auf dem Bett zuckte zusammen.
»Entschuldigen Sie. Ich wollte Sie nicht erschrecken«, sagte Irene beruhigend.
»Nein … ich …«, murmelte Marina.
Ihr Gesicht war verquollen, und sie wirkte verwirrt. Vorsichtig beugte sich Irene über sie und atmete diskret, aber tief ein. Nur Schweiß und ein anderer undefinierbarer Geruch. Hatte Trauer einen Geruch? Zumindest hatte Marina Hallwiin
Weitere Kostenlose Bücher