Das Brandhaus - Roman
Jonsén lächelte zärtlich, als sie antwortete:
»Ich war ein Einzelkind. Meine Mutter war sehr lieb … Lasse und ich wohnten in einer Zweizimmerwohnung in Johanneberg. Als wir unser zweites Kind erwarteten, schlug meine Mutter vor, dass wir mit ihr die Wohnung tauschen sollten. Sie fand, ihre sei für sie allein zu groß, und wir bräuchten mehr Platz. Also tauschten wir. Das war 1982, in dem Jahr, in dem Jessica zur Welt kam.«
»Und jetzt werden Sie selbst Großmutter«, sagte Irene und lächelte sie an.
»Das bin ich bereits. Es ist Petras zweites Kind.«
Sie erhob sich, trat auf die kleine Kommode zu und griff zu einem Foto in der Mitte.
»Axel«, sagte sie stolz und reichte Irene ein gerahmtes Porträt.
Der Junge war vielleicht zwei Jahre alt. Er lachte den Fotografen an, und seine kleinen Schneidezähne hoben sich weiß von seiner dunklen Haut ab. Sein dunkelbraunes Haar war gelockt. Sein Blick sprudelte vor Lebensfreude. In der einen Hand hielt er ein kleines rotes Auto, das er an die Brust drückte.
»Großmutters Prinz«, sagte Anna Jonsén und stellte das Foto zurück.
Sie lächelte immer noch stolz, als sie wieder auf dem Sofa Platz nahm.
»Wissen Sie, ob hier in der Gegend mal jemand verschwunden ist?«, fragte Tommy.
»Verschwunden … wann denn?«, fragte sie ratlos zurück.
»Das wissen wir nicht recht. Wahrscheinlich im Laufe der letzten fünfzig Jahre.«
Anna Jonsén schüttelte den Kopf. Dann sagte sie:
»Davon weiß ich nichts. Das müsste ich eigentlich wissen … nein. Höchstens bevor wir hierher gezogen sind.«
Tommy nickte, fragte aber nicht weiter. Er wechselte das Thema.
»Erzählen Sie uns von dem Brand vor drei Wochen«, sagte er.
»Ich habe nicht gesehen, wie es angefangen hat. Erst als wir gerade zu Bett gehen wollten, hörte ich die Feuerwehr. Ich bemerkte, dass die Feuerwehrwagen ganz in der Nähe hielten. Und als ich aus dem Fenster schaute, sah ich das Holzhaus brennen. Das Feuer breitete sich in Windeseile im ganzen Haus aus. Das war ganz unheimlich. Dann sah ich auch schon die Feuerwehrleute … auch solche … wie heißt das schon wieder … mit solchen Rauchmasken. Sie versuchten Calle Adelskiöld zu retten. Es gelang ihnen jedoch nicht.«
»Hieß er so?«, unterbrach sie Tommy.
Er schrieb sich den Namen sicherheitshalber auf, obwohl man ihn wirklich leicht im Gedächtnis behalten konnte.
»Ja. Carl-Johan Adelskiöld. Er sagte immer, wir sollten ihn ruhig Calle nennen, Calle mit C. Er bestellte immer ganz bestimmte Zigarillos bei mir im Laden. Seine bevorzugte Sorte wurde dann nicht mehr importiert, und er ging die letzten Jahre zu Davidoff Long Panatellas über. Er kaufte sie immer freitags und gab gleichzeitig seine Tippscheine fürs Trabrennen ab. Immer ein ganzes Bündel! Damit fing er schon an, als er noch kaum hier eingezogen war.«
»Und wann war das?«
»Das war 1980, im selben Jahr, in dem Petra zur Welt kam.«
»Vor achtundzwanzig Jahren also«, meinte Irene.
»Ja. Er war in Rente gegangen und nach Göteborg zurückgekehrt. Er sagte immer, es sei schön, wieder in dem von ihm so geliebten Lorensberg zu wohnen.«
»Wissen Sie etwas über ihn? Hatte er Familie?«
»Soweit ich weiß nicht. Ich sah ihn immer nur allein. Doch, er hatte einen Cousin. Calle erzählte, dass sein Cousin und er beim Außenministerium angestellt gewesen seien. Besonders
wenn er eine Fahne hatte, war er redselig. Und eine Fahne hatte er manchmal. Recht oft, um ehrlich zu sein.«
Sie lächelte nachsichtig. Ein älterer, alleinstehender Herr hatte wohl etwas Aufmunterung in Form eines Cognacs und einiger Zigarillos nötig. Dafür musste man Verständnis haben.
»Aber in den letzten Jahren war es recht oft sein Cousin, der die Zigarillos holte und die Tippscheine abgab. Calle war schließlich schon neunzig. Dieser Cousin ist allerdings auch nicht mehr ganz jung.«
»Rauchen und saufen und trotzdem neunzig werden. Ich frage mich, was diese Gesundheitsfanatiker dazu sagen würden?«, meinte Tommy und lächelte.
Anna Jonsén griff nach einer Schachtel Zigaretten und hielt sie ihnen einladend hin. Irene und Tommy lehnten ab. Sie zündete sich eine Zigarette an und inhalierte tief und genüsslich.
»Wissen Sie, wie dieser Cousin heißt?«, fragte Tommy.
»Nein. Er war nicht so gesprächig wie Calle.«
Sie unterbrach sich, hustete einige Male und fuhr dann fort:
»Er war durchaus nicht unfreundlich. Ganz und gar nicht. Aber er war … korrekter. Ein feiner Herr …
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