Das Brandhaus - Roman
übten. In den letzten Jahren
hatte dieser Sport überall auf der Welt immer mehr Anhänger gefunden. Sowohl Katarina als auch Felipe hatten mit Capoeira große Fortschritte gemacht und arbeiteten als Trainer und Betreuer am Center. Irene war trotzdem froh, sie bald wieder zu Hause zu haben.
Und Sammie war nicht mehr da. An einem bewölkten Märztag war er mit der einen Vorderpfote in der Hand seines Frauchens für immer eingeschlafen. Im stattlichen Alter von vierzehn Jahren, neun Monaten und vier Tagen hatte sein altes Herz aufgehört zu schlagen. Jetzt tollte er auf den Wiesen der Seligen im Hundehimmel herum, wo es jeden Tag Brathähnchen und Leberwurstbrote gab.
Irene wurde es schwer ums Herz, als sie an Sammie dachte. Er fehlte ihr sehr. Mit Krister hatte sie sich jedoch darauf geeinigt, dass sie sich keinen neuen Hund zulegen würden. Sie arbeiteten beide zu viel und hatten unregelmäßige Arbeitszeiten. Auch die Frau, die Sammie tagsüber betreut hatte, hatte sich aus Altersgründen zur Ruhe gesetzt und besaß nur noch eine Hauskatze.
Vor fast zwei Jahren war Irenes Mutter Gerd auf dem eisglatten Bürgersteig ausgerutscht und hatte sich an der Hüfte verletzt. Gleichzeitig war sie mit dem Hinterkopf aufgeprallt und hatte sich eine schwere Schädelverletzung zugezogen. Seither litt sie ständig an Schwindel. Die Hüftverletzung war nicht verheilt, und man hatte die Operation wiederholen müssen. Dadurch war es zwar etwas besser geworden, aber immer noch nicht ganz zufriedenstellend. Gleichzeitig war ihr Lebensgefährte Sture, mit dem sie allerdings nicht zusammengewohnt hatte, an einem Herzinfarkt gestorben. Das alles war zu viel für sie gewesen. Sie wohnte zwar immer noch in ihrer Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung in Guldheden, verließ sie aber nicht mehr allein. Sie hatte Angst, erneut zu stürzen, da sie sich nicht mehr sicher auf den Beinen fühlte und ihr immer schwindlig wurde. Irene oder Krister mussten für sie einkaufen. Zweimal in der Woche besuchte sie jemand von der Altenpflege und putzte. Dazwischen war sie immer sehr allein. »Ich
bin zu alt geworden. Jetzt bin ich fast achtzig. Alle, die ich gekannt habe, sind tot, gaga oder zu gebrechlich, um hierher zu kommen«, pflegte sie zu sagen. Irene versuchte, ihr das auszureden, aber ihr war auch klar, dass diese Behauptung nicht von der Hand zu weisen war. Gelegentlich ließen die Pensionärsvereine, in denen ihre Mutter Mitglied war, von sich hören, aber eigentlich auch nur vor Weihnachten. Diejenige, die sich am häufigsten blicken ließ, war eine gleichaltrige Dame, die im selben Haus wohnte. Die beiden kannten sich nun schon seit 45 Jahren, seit Irenes Eltern in die Doktor Bex Gata gezogen waren. Irene war dort aufgewachsen. Sie war erst ausgezogen, als sie nach Stockholm ging, um an der Polizeihochschule in Ulriksdal anzufangen.
Irene betrat ihr stilles Reihenhaus. Krister arbeitete lange, er würde kaum vor Mitternacht zu Hause sein.
Das einzig Positive am Auszug ihrer Töchter war, dass Irene jetzt Jennys Vegan-Kost erspart blieb. Aber ganz los war sie sie dann doch nicht. Denn Krister hatte begonnen, sich für vegetarische Küche zu interessieren. Und da er ein echter Meisterkoch war, konnte er selbst die traurigsten Wurzeln in Delikatessen verwandeln. Sie selbst war auf diesem Gebiet vollkommen unbegabt und hatte sich auch nie die Mühe gemacht, kochen zu lernen.
Also würde es jetzt eine Kanne Tee und ein paar Butterbrote geben. Während das Wasser kochte, taute sie ein paar Brötchen in der Mikrowelle auf. Diese belegte sie mit Käsescheiben und je zwei pflichtschuldigen Gurkenscheiben. Die mussten genügen. Sie stellte alles auf ein Tablett und ging damit ins Obergeschoss, wo sich das Fernsehzimmer in der oberen Diele befand.
Die Lokalnachrichten begannen mit einer Bestätigung der Polizei, dass es sich bei dem Tod von Alexandra Hallwiin um Mord handelte. Man bat die Öffentlichkeit um eventuelle sachdienliche Hinweise, Auffälligkeiten im Zusammenhang mit dem Fall, die am Vorabend des 1. Mai sowohl im Bereich der Bushaltestelle am Torslandavägen als auch in der Gegend nördlich
von Lilleby und bei Nötsund beobachtet worden sein könnten. Vor allem interessiere man sich für Fahrzeuge, in die Alexandra eventuell eingestiegen war.
Irgendjemand musste das Mädchen gesehen haben, nachdem sie die Gartenpforte der schicken Villa auf dem Hügel hinter sich geschlossen hatte. Bislang hatte sich jedoch niemand gemeldet. Wahrscheinlich lag
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