Das Brandhaus - Roman
konnte seine Arme seitlich nicht anlegen, sondern hielt sie leicht angewinkelt. Seine schwarzen Jeans lagen an Oberschenkeln und Waden an. Tobias war ein gutes Beispiel dafür, dass stundenlanges tägliches Krafttraining die Muskeln anschwellen ließ. Aber er war erst achtzehn. Irene hegte den Verdacht, dass er seine Muskeln auch Anabolika zu verdanken hatte.
Sein glattrasierter Schädel sah auf dem riesigen Körper aus, als wäre er geschrumpft. Mit seinen Wangen, die an die von Cherubim erinnerten, wirkte er wie ein zu groß geratenes Baby. Möglicherweise hatte er sich deswegen mehrere große Tätowierungen auf seinen Armen und um den Hals zugelegt. In beiden Ohren funkelten weiße Steine, und die Unterlippe war mit einem Silberring gepierct. Das alles half jedoch kaum etwas, er sah trotzdem aus wie ein groteskes Riesenbaby. Und seine ausdruckslosen hellblauen Augen verstärkten diesen Eindruck noch.
Irene und Hannu stellten sich vor. Wie nicht anders erwartet, erhielten sie nur einen unartikulierten Laut zur Antwort. Dann begann Tobias Hansson langsam auf den zweiten Sessel zuzuschwanken. Irene hielt den Atem an, als er sich fallen ließ. Er knarrte laut, hielt aber stand.
»Wir wollten uns eigentlich nur erkundigen, wo Sie sich am Vorabend des 1. Mai aufgehalten haben«, sagte Irene und schaute Tobias unverwandt in die Augen.
»Er war hier«, sagte Bettan Hansson rasch und noch ehe ihr Sohn den Mund öffnen konnte.
Ihre Hände zitterten leicht, als sie eine Zigarette aus einem geöffneten Päckchen schüttelte, das auf dem verkratzten Couchtisch lag. Den Bruchteil einer Sekunde lang wirkte Tobias erstaunt, aber im nächsten Moment waren seine hellblauen Augen wieder so ausdruckslos wie vorher.
»Waren Sie zu Hause, Tobias?«, fragte Irene.
Er nickte nur.
»Waren Sie den ganzen Abend zu Hause?«
»Ja«, mischte sich Bettan ein.
Ein erneutes Nicken von dem Riesenbaby in dem anderen Sessel durfte wohl als Bestätigung gewertet werden.
»Ungewöhnlich, dass ein Mann in Ihrem Alter die Walpurgisnacht zu Hause bei seiner Mutter verbringt«, meinte Hannu ruhig.
Tobias warf ihm einen Blick zu, schlug die Augen aber dann rasch nieder.
»Er war aber hier«, behauptete Bettan mit scharfer Stimme.
»Gibt es hier sonst noch jemanden, der bestätigen kann, dass Sie den ganzen Abend zu Hause waren?«, fuhr Hannu an Tobias gewandt fort.
»Wir waren allein«, erwiderte Bettan verbissen.
Hannu sah Tobias unverwandt an und schenkte seiner starrköpfigen Mutter nicht die geringste Aufmerksamkeit. Sie sah wütend aus, rauchte gierig und verstreute Zigarettenasche um sich herum. Wahrscheinlich hat sie allen Grund, wütend zu sein, dachte Irene.
»Was haben Sie denn am Wochenende davor gemacht?«, fuhr Hannu fort.
Tobias wirkte verwirrt. Bettan eilte ihm erneut zur Hilfe.
»Tagsüber war er mit ein paar Freunden beim Training, aber abends war er hier bei mir«, sagte sie.
»Tobias und Sie sind also die besten Freunde?«, sagte Hannu und sah die füllige Frau zum ersten Mal direkt an.
Ihr Gesicht nahm sofort die Farbe einer überreifen Erdbeere an.
»Er war verdammt noch mal gerade aus der Haft entlassen worden!«, fauchte sie.
Es stimmte, dass Tobias am 10. April aus der Jugendhaftanstalt entlassen worden war. Beide Mädchenmorde waren danach verübt worden. So gesehen war er für ihre Ermittlungen hochinteressant.
Wir werden aber nichts von ihm erfahren, solange seine Mutter über ihn wacht, dachte Irene. Sie fing Hannus Blick auf, und sie nickten sich unauffällig zu. Wie auf Kommando erhoben sie sich gleichzeitig.
»Wir werden von uns hören lassen. Wahrscheinlich müssen Sie dann doch ins Präsidium kommen«, sagte Hannu.
Er sah Tobias immer noch durchdringend an, der alles unternahm, diesem forschenden Blick auszuweichen. Auf dem kahlen Kopf des Achtzehnjährigen waren jetzt Schweißtropfen zu sehen. Auch er ist nervös, dachte Irene.
»Nur weil ein Junge einmal einen Fehler gemacht hat, können Sie ihn nicht einfach ewig schikanieren!«, fauchte Bettan wütend.
Sie verschluckte sich am Zigarettenrauch und hustete fürchterlich.
Weder Irene noch Hannu schenkten ihr weitere Beachtung.
»Den können wir streichen«, stellte Irene fest, als sie wieder im Wagen saßen.
Sie bog auf die Autobahn ein und wechselte auf die Fahrspur Richtung Zentrum.
»Nein.«
Hannu sah nachdenklich aus.
»Er war es nicht. Die Morde an den Mädchen waren geplant«, sagte er dann.
»Er ist einfach zu dumm und zu
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