Das Brandhaus - Roman
seine Strategie und gab vor, an Gedächtnisverlust zu leiden. Er behauptete, unter Einfluss von Alkohol und Ecstasy gehandelt zu haben.«
»Sein Modus operandi sind also Überfälle mit Vergewaltigungen?«
»Ja.«
»Wann genau wurden diese Taten verübt?«
»Vor ziemlich genau einem Jahr. Beide Überfälle wurden etwa einen Kilometer von der Wohnung entfernt, in der Tobias Hansson zusammen mit seiner Mutter wohnt, verübt. Er hat seine Strafe gerade abgesessen. Er wurde zu einer niedrigeren Strafe verurteilt, weil er noch unter 18 war.«
»Klingt nicht so recht nach unserem Mörder. Leute, die Frauen überfallen und vergewaltigen, tun das aus einem Impuls heraus. Alexandras und Moas Mörder scheint alles geplant zu haben. Er hat darauf geachtet, keine Spuren zu hinterlassen. Er hatte von Anfang an vor, sie zu ermorden«, meinte Hannu nachdenklich.
»Stimmt. Außerdem hat der kleine Tobbe beide Male sein Viertel nicht verlassen. Unsere Mädchen wurden an ganz anderen Orten in Göteborg ermordet, sehr weit von Tynnered entfernt«, meinte Jimmy.
»Ich glaube, ihr habt recht, aber wir sollten ihn trotzdem vernehmen. Auch wenn das nur dazu dienen sollte, seinen Namen definitiv streichen zu können«, sagte Irene.
Hannu nickte.
»Ich begleite dich morgen früh«, sagte er.
»Gut. Dann schaffen wir ja vielleicht sogar noch einen weiteren Namen auf der Liste.«
Irene wandte sich daraufhin lächelnd an Jonny:
»Vielleicht kannst du mir ja dabei helfen, etwas mehr über diesen Burschen herauszufinden, den ich nicht ausfindig machen kann?«
Jonny schaute missvergnügt auf das Papier, das sie vor ihn hinlegte.
»Viel zu tun, wenn man für eine gesamte Ermittlung verantwortlich ist«, sagte Irene mit gespieltem Mitgefühl.
Jonny brummte unwillig, aber ihm fiel keine vernichtende Antwort ein. Ausnahmsweise einmal verzog Hannu den Mund zu einem Lächeln.
»Ich verspreche dir, dich heute Nachmittag zu begleiten. Damit alles gerecht zugeht«, fuhr Irene fort.
»Nein. Ich nehme Hannu mit. Du kannst deinen Bericht über das schreiben, was wir heute Vormittag herausgefunden haben.«
Jonny lächelte sie triumphierend an.
Die ganze Wohnung roch nach Katzenpisse und Zigarettenrauch. Bereits nach wenigen Minuten befiel Irene eine gewisse Übelkeit. Eine rotgetigerte Katze fauchte sie an und verschwand unter dem durchgesessenen Sofa im Wohnzimmer. Wahrscheinlich war sie kein Frühaufsteher. Man passte sich eben seinen Mitbewohnern an. Weder Mutter noch Sohn Hansson schienen zu den Frühaufstehern zu gehören.
Die Mutter hatte die Tür geöffnet und sich mürrisch als Bettan Hansson vorgestellt. Sie war eine etwas verblasste Blondine, die gut und gerne 120 mutige Kilo auf die Waage brachte. Ihre üppigen Formen hatte sie in einen schmutzrosa Jogginganzug gezwängt. Der Reißverschluss der Jacke war nur zur Hälfte geschlossen, wodurch ihr riesiger Busen großzügig zur Schau gestellt wurde. Soweit Irene sehen konnte, trug sie nichts drunter. Oberhalb der einen Brust war eine Tätowierung zu sehen, die wohl einmal eine Echse dargestellt hatte. Das zunehmende Gewicht der Tätowierten und die Schwerkraft hatten sie jedoch mehr und mehr in so etwas wie einen Alligator verwandelt.
»Tobbe ist im Bad. Er kommt gleich«, sagte sie knapp.
Sie schlurfte zum Couchtisch und ließ sich schwer in einen durchgesessenen Sessel fallen. Als die Sitzfläche ächzend nachgab und bis auf den Fußboden durchhing, begriff Irene, warum sich das kluge Kätzchen unter die Couch gelegt hatte.
»Worum geht es?«, fragte Bettan Hansson.
Obwohl sie versuchte, ihre Stimme aggressiv klingen zu lassen, war ihr die Unruhe anzumerken.
»Wir wollten nur Tobias ein paar Fragen stellen«, sagte Irene.
»Worum geht es?«, wiederholte Bettan.
Die beiden Beamten gaben ihr keine Antwort. Aus dem Badezimmer war das Brausen der Dusche zu hören. Nach einer Weile verstummte es. Jemand bewegte sich hinter der Tür zum Badezimmer und hustete rasselnd einige Male. Tobias Hansson brauchte fast zehn Minuten, um sich fertig zu machen. Erst dann schloss er die Tür auf und trat in die Diele. Schweigend stellte er sich in die Tür und glotzte die beiden Polizeibeamten an. Er war kräftig, um nicht zu sagen gewaltig. Er war mittelgroß, aber so breit, dass er kaum durch die Türöffnung kam, ohne sich zur Seite zu wenden. Seinem Bizeps war regelmä ßiges Training anzusehen, und sein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift »Olympic Gym« spannte über der Brust. Er
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