Das Brandhaus - Roman
ermordet. Willst du uns dabei helfen?«, fragte Irene.
Sie hielt den Atem an und atmete erst aus, als Lina fast unmerklich nickte.
»Das Phantombild ist in Zusammenarbeit mit Lina Lindskog entstanden. Sie ist die Einzige, die unseren Mr. Groomer bislang gesehen hat. Ihr gegenüber nannte er sich allerdings Martin. Sie müsste somit also Nummer 13 sein«, sagte Irene.
Ihre Kollegen betrachteten aufmerksam das Porträt, das an die Wand projiziert wurde. Ein schmales, bartloses Gesicht unter einer dunkelblauen Baseball-Mütze, die tief in die Stirn gezogen war. Die Augen waren hinter dunklen Sonnenbrillen, Modell Pilot, verborgen. Das wenige, was von den Haaren zu sehen war, war hellbraun und strähnig. Die Nase war gerade und die Lippen schmal. Ein durchschnittlicheres Äußeres hätte man sich kaum vorstellen können. Er konnte zwischen zwanzig und vierzig Jahre alt sein.
»Ich habe die Männer auf unserer Liste überprüft. Der Einzige, auf den unser Phantombild passt, hat vor fast zwei Monaten Selbstmord begangen«, meinte Irene.
»Und seit wann stand unser Mr. Groomer mit ihr in Verbindung?«, fragte Tommy.
»Seit neun Wochen. Er hat wirklich ein Gespür dafür, wann sie so weit sind. Lina wäre ihm überallhin gefolgt. Sie war sehr in ihn verliebt«, entgegnete Irene.
Irene fragte sich, ob ihre Kollegen die Wehmut bemerkten, die in ihrer Stimme mitschwang.
Lina war vollkommen am Boden zerstört gewesen. Sie war jedoch alles andere als dumm. Sie hatte eingesehen, dass man sie betrogen hatte. Energisch war sie auf der Toilette verschwunden und hatte ihre zerlaufene Schminke abgewaschen. Dann hatte sie sich bereit erklärt, beim Erstellen des Phantombildes mitzuhelfen.
Irene hatte die Schwestern ins Präsidium mitgenommen. Mit
Hilfe von Linas Beschreibung und einer eigenen Software hatte ein Spezialist das Bild von Mr. Groomer erstellt.
Das war Lina nicht leicht gefallen, denn alle Leute über drei ßig waren in den Augen einer Dreizehnjährigen uralt. In einem Anfall von Vertraulichkeit hatte sie Irene gestanden, dass das Einzige, was sie nachdenklich gestimmt hätte, Martins Alter gewesen sei, seine siebzehn Jahre. Dieses Thema hatte sie sogar ihm gegenüber angesprochen, aber er hatte ihre Bedenken mit der Bemerkung beiseitegewischt, dass sich die Liebe nicht um das Alter kümmere. Daraufhin hatte Lina alle Bedenken über Bord geworfen.
Während Lina erzählt hatte, hatte Emma neben ihr gesessen und ihrer kleinen Schwester beruhigend über den Rücken gestrichen.
Anschließend hatte Irene die Schwestern in die große Kantine mitgenommen und ihnen ein Eis gekauft. Ohne Schminke hatte Lina sehr jung und verletzlich gewirkt. Mit ihrer Eiswaffel in der Hand hatte sie ausgesehen wie ein kleines Mädchen, und das war sie auch. Als Irene daran dachte, was hätte passieren können, wenn Emma nicht aufgepasst hätte, wurde ihr fast übel.
Es war Montag, der 4. August. In den Tagen davor war es endlich etwas warm geworden, im Übrigen war das Sommerwetter an der schwedischen Westküste bislang recht lausig gewesen. All jene, die im Juni und Juli Ferien gehabt hatten, konnten einem leidtun. Obwohl auch Irene und Krister in diese Kategorie gehörten, hatten sie doch eine schöne Woche in England verbracht und dazu zwei recht anständige Wochen in ihrem Sommerhaus in Värmland. Irene hatte sich erst in der letzten Urlaubswoche einigermaßen erholt gefühlt und hätte gerne noch eine weitere Woche Ferien gehabt.
»Offenbar haben die Ganoven auch Urlaub gemacht. Im Juli war es ruhig. Ich hoffe, dass das auch im August so bleibt«, sagte Kommissarin Efva Thylqvist und lächelte ihren Stab an.
Fredrik Stridh und Tommy Persson fehlten. Sie hatten noch eine weitere Woche Urlaub. Stattdessen saß eine junge Frau im Besprechungszimmer, der Irene bereits zuvor begegnet war.
»Ich möchte euch Birgittas Vertretung Åsa Nyström vorstellen«, sagte die Kommissarin und lächelte das neue Mitglied des Dezernats an.
Åsa lächelte und nickte ihren neuen Kollegen, die um den Konferenztisch herumsaßen, zu. Bei ihrer ersten Begegnung in Partille vor dreieinhalb Wochen hatte ihr Irene keine größere Aufmerksamkeit gewidmet. Åsa Nyström war Anfang drei ßig, hatte rotbraunes, lockiges Haar und grünblaue Augen.
Sie war groß und muskulös. Sie hatte ein recht rundes Gesicht und einen breiten Mund, der gerne lächelte. Dann wurden tiefe Grübchen sichtbar. Man hätte sie als hübsch und attraktiv bezeichnen können, eine
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