Das Brandhaus - Roman
klassische Schönheit war sie jedoch nicht.
»Vielleicht willst du dich ja selbst vorstellen?«, sagte Efva Thylqvist.
Åsa Nyström erhob sich und sah ihre neuen Kollegen der Reihe nach an.
»Ich heiße also Åsa Nyström und bin dreißig Jahre alt. Wie ihr hören könnt, stamme ich aus Göteborg. Nach der Schule...«
Ein verschmitztes Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit.
»... hatte ich nicht die Absicht, Polizistin zu werden. Das wäre mir nicht im Traum eingefallen! In meiner Familie gibt es viele Künstler. Ich wollte Schauspielerin werden, bewarb mich an der Theaterhochschule und wurde angenommen! Diese Ausbildung dauerte drei Jahre. Dann...«
Das verschmitzte Lächeln verschwand und wurde von einem Ausdruck der Resignation abgelöst.
»... sah ich aber ein, dass ich den falschen Beruf gewählt hatte. Es bereitete mir keinerlei Freude, jeden Abend vor einer kleinen auserwählten Schar die Wirklichkeit zu imitieren. Außerdem war mir klar, dass man mich kaum darum bitten würde, die liebreizende Jungfrau zu spielen.«
Kokett hob sie eine Hand, machte eine Schnute und blinzelte. Dann schob sie den Ärmel ihres kurzärmligen Hemds hoch und demonstrierte einen imposanten Oberarmmuskel. Anschließend lächelte sie, alles lachte. Diese Frau ist wirklich nicht schüchtern, dachte Irene. Was für Muskeln! Womit sie sich wohl sonst so beschäftigte? Über ihrer linken Braue war eine deutliche Narbe zu sehen.
Als hätte Åsa ihre unausgesprochene Frage gehört, fuhr sie fort:
»Mit fünfzehn habe ich angefangen zu boxen. Das war 1993. Damenboxen war damals in Schweden nicht sonderlich üblich.
Vielleicht suchte ich bereits damals nach Herausforderungen. Aber ich brauchte diese drei Jahre auf der Theaterhochschule, um zu realisieren, was ich mit meinem Leben tun wollte. Ich bewarb mich direkt nach der Theaterausbildung bei der Polizeihochschule.«
»Dieser Urlaub, den du bereits beantragt hast, hat der was mit dem Boxen zu tun?«, fragte Efva Thylqvist freundlich interessiert.
»Ja. Im September findet ein viertägiges Trainingslager statt und im Oktober ist die WM.«
»Oh! Und wie oft musst du trainieren?«
»Fünf bis sieben Mal in der Woche.«
Efva Thylqvist sah die neue Vertretung prüfend an. Irene hatte das Gefühl, dass dieser Blick nichts Gutes verhieß.
»Bleibt dann neben Job und Training überhaupt noch für etwas anderes Zeit? In meinen Papieren steht, dass du verheiratet bist. Dein Mann muss wirklich außerordentlich verständnisvoll sein. Was hat er denn für eine Arbeit?«
Åsas Augen blitzten auf, aber Irene hatte den Eindruck, dass sie die Einzige war, der das auffiel. Als Åsa ihrer neuen Chefin antwortete, gab ihre Stimme keinerlei Gefühle preis.
»Er ist Musiker. Aber wir lassen uns gerade scheiden.«
Irene fand, dass diese Fragen zu weit gingen. Es wirkte nicht mehr wie die Präsentation einer neuen Arbeitskollegin, sondern eher wie ein regelrechtes Verhör. Der Kommissarin schien aber nicht aufzufallen, was sie da eigentlich tat.
»Also auch ein künstlerischer Beruf. Was für eine Art von Musik spielt er denn?«
»Hardrock. Er ist Schlagzeuger bei den Hell’s Metal Warriors.«
Die Gesichtszüge von Kommissarin Thylqvist erstarrten.
»Vielleicht könntest du jetzt etwas über deine früheren Einsatzbereiche bei der Polizei erzählen«, meinte sie dann.
»Als ich mit der Ausbildung fertig war, zog ich wieder nach Göteborg. Ich fuhr Streife in Frölunda und in Hisingen. Der Streifendienst gefiel mir, ich wollte aber doch auch noch etwas
anderes ausprobieren. Deswegen übernahm ich die Vertretung in Partille, und jetzt bin ich also hier«, sagte Åsa.
Sie lächelte. Scheinbar ungerührt begegnete sie dem Blick der Kommissarin.
Efva Thylqvist erwiderte ihr Lächeln ohne sonderliche Wärme. Dann wandte sie sich an Irene und sagte:
»Du hast doch das größte Dienstzimmer. Außerdem bist du es gewohnt, dir ein Büro zu teilen. Was hältst du davon, wenn Åsa bei dir einen Schreibtisch bekommt?«
»Gerne. Dann wird es bei mir hinten etwas weniger einsam«, erwiderte Irene ruhig.
Falls der Kommissarin diese leise Kritik aufgefallen war, so zeigte sie das mit keiner Miene.
»Hervorragend. Dann wäre das erledigt«, sagte sie und nickte Åsa Nyström kurz zu.
Als sie ihr neuerdings gemeinsames Dienstzimmer betraten, sah sich Irene gezwungen, die Frage zu stellen, die ihr auf der Zunge brannte.
»Wusstest du, dass du hier anfangen würdest, als wir uns in Partille
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