Das Brandhaus - Roman
wartet. Sobald ein Patient stationär behandelt wird, kostet er schließlich richtig Geld«, hatte der Ringer verbittert bemerkt, dabei war Bitterkeit eigentlich überhaupt nicht seine Art.
Hinsichtlich der Ermittlungen der Cold-Cases-Gruppe bestand aber kein Grund zur Eile. Ihre Kunden waren schon lange tot und würden auch nicht wieder zum Leben erwachen. Andersson fand die Arbeit der Gruppe dennoch wichtig. Die Mörder sollten sich erst dann in Sicherheit wiegen können, wenn ihre Tat verjährt war. Eigentlich hielt er es für haarsträubend, dass die Verjährungsfrist in Schweden für Mord nur fünfundzwanzig Jahre betrug. In anderen Ländern war sie wesentlich länger. Aber wahrscheinlich war das irgendeinem Schlaumeier im Ministerium zu verdanken gewesen, der so die Statistik über unaufgeklärte Morde hatte schönen wollen.
Sven Andersson schnaubte verächtlich und warf die Pistole zurück in den Karton. Mit einem Fuß schob er ihn dann in die Ecke. Jetzt würde er seinen wohlverdienten Urlaub antreten und in den kommenden vier Wochen keinen Gedanken an die Mum… Mats Persson verschwenden.
Blaugraue Wolken hingen gewitterschwer über der Stadt. Die Luft wirkte sauerstoffarm und unbeweglich. Irene hatte Kopfweh, was selten vorkam. Wenn das Gewitter doch nur käme, dann würde der Druck hinter ihrer Stirn sicher auch nachlassen. Sie war vollkommen durchgeschwitzt. Die kurzärmelige Baumwollbluse klebte an ihrem Rücken. Bis zu ihrem Urlaub dauerte es noch zwei Tage, eine unendliche Zeitspanne. Nicht, weil sie nichts zu tun gehabt hätte, im Gegenteil, die Fälle stapelten sich auf ihrem Schreibtisch, und nichts durfte sich nun noch ereignen, denn dann wäre sowohl das Dezernat als auch sie selbst überlastet.
Eine entrüstete große Schwester zwang ihre dreizehnjährige kleine Schwester dazu, mit ihr die Wache in Partille aufzusuchen. Sie wollte, dass sie der Polizei erzählte, was am Vorabend geschehen war. Der Vorfall hatte sich am Dienstag nach dem Mittsommerwochenende zugetragen. Und ihre Erzählung hätte die vier Wände der kleinen Stadtteilwache vielleicht nie verlassen, wenn nicht die zuständige Beamtin den Ernst des Vorfalls erkannt hätte. Sie beschloss, die Sache weiterzuleiten, und rief im Präsidium in der Skånegatan an. Umgehend wurde sie zu Irene Huss durchgestellt.
Als Irene die Wache in Partille betrat, fiel ihr auf, dass die Schäden, die das Attentat im vergangenen Herbst hinterlassen hatten, inzwischen behoben worden waren. Die nachts stets
unbesetzte Wache war in einer dunklen Novembernacht unter Beschuss geraten. Dieses Ereignis hatte einen regelrechten Gangsterkrieg ausgelöst, in den diverse Bandenmitglieder sowohl mit als auch ohne Motorrad beteiligt waren.
Die Kollegin in Partille stellte sich als Åsa Nyström vor. Sie hatte für die große Schwester einen Kaffee und eine halbwegs frische Zimtschnecke besorgt. Die Dreizehnjährige saß mit verschränkten Armen und übergeschlagenen Beinen da und starrte mürrisch zu Boden. Sie hatte ihre Cola und ihre Zimtschnecke nicht angerührt.
Die ältere Schwester hieß Emma Lindskog. Sie war Anfang zwanzig und arbeitete in der Buchhandlung Bokia im Einkaufszentrum Allum. Ihre kleine Schwester hieß Lina, was sie jedoch nicht selbst erzählte, denn sie blickte nur sauer unter ihrem Pony hervor und schwieg. Emma musste für sie sprechen.
Irene betrachtete Lina genauer. Das Mädchen war recht mollig, trug enge Jeans und ein sehr kurzes Top, das den Glitzerstein in ihrem Nabel zur Geltung brachte. Einer ihrer rosa Flipflops flappte gegen die Fußsohle, während sie nervös mit dem Fuß wippte. Ihre Augen waren schwarz geschminkt, und sie hatte eine dicke Schicht Grundierung aufgetragen, obwohl Sommer war. Der Sommer hatte zwar bislang nur wenige Sonnenstunden gehabt, aber trotzdem vermieden die meisten Frauen zu viel Make-up, falls die Sonne doch einmal hervorschauen sollte. Lina schien davon jedoch nichts zu halten. Offenbar wollte sie sich auch nicht darauf verlassen, dass die Sonne ihr Haar bleichen würde. Stattdessen hatte sie die Sache in eigene Hände genommen und Unmengen Wasserstoffperoxid auf ihre Haare gekippt. Das Resultat war ein grauweißer, toter Filz. Um etwas Farbe in das stahlwolleähnliche Gewirr zu bringen, hatte sie sich knallrosa und blaue Strähnchen gefärbt. Sie erinnerte Irene an Jenny in ihrer schlimmsten Punkphase.
Das gibt sich mit der Zeit, dachte Irene und lächelte Lina an.
Das war bei dieser
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