Das Brandhaus - Roman
begegnet sind?«
Åsa lächelte.
»Nein. Aber ich hatte mich bereits für die Vertretung beworben. Am Tag darauf haben sie mich angerufen.«
»Wirklich ein komischer Zufall. Aber ich freue mich, dass ich wieder Gesellschaft bekomme.«
»Wieder?«
»Ja. Ich habe mir das Büro jahrelang mit Tommy Persson geteilt, aber Tommy ist mittlerweile stellvertretender Kommissar und hat sein Zimmer neben Kommissarin Thylqvist.«
Irene bemühte sich, gleichmütig zu sprechen, damit ihr Tonfall ihre innersten Gefühle nicht verraten würde. Der Blick, den ihr Åsa Nyström zuwarf, zeigte deutlich, dass ihr das nicht gelungen war. Vielleicht war Åsa aber auch nur eine gute Menschenkennerin. Irene war sich nicht ganz sicher, ob sie sich eine solche Kollegin wirklich gewünscht hatte.
»Spielt dein Exmann wirklich Hardrock?«, fragte Irene, um das Thema zu wechseln.
Åsa lächelte breit.
»Nein. Er ist Jazzmusiker. Saxofon.«
Sie setzte eine ernste Miene auf und sagte feierlich:
»Also auch ein künstlerischer Beruf.«
Düstere Stimmung herrschte im Zimmer der Cold-Cases-Gruppe. Sven Andersson und Leif Fryxender hatten gerade die Nachricht erhalten, dass die Bypassoperation ihres Kollegen Pelle Svensson kurz bevorstand. Die Ballondilatation der Herzkranzgefäße hatte deutlich gemacht, dass sein Zustand schlechter war, als die Ärzte zunächst angenommen hatten. Die Operation war für Anfang September anberaumt, der Ringer bis dahin weiterhin krankgeschrieben.
»Der kommt nicht mehr zurück«, konstatierte Andersson.
»Wohl kaum«, pflichtete ihm Fryxender bei.
Sie wussten beide, dass er laut Plan am selben Tag wie Andersson, also am 1. Oktober, in Rente gehen würde.
»Wann fangen die beiden Neuen an?«, wollte Andersson wissen.
»Am 1. Oktober.«
»Gut. Wir brauchen Verstärkung.«
Schweigend betrachteten sie Anderssons Schreibtisch mit den Ordnern und den Stapeln kleiner Kartons, auf denen »E. P. 16. Sept. 1941« stand. Sie hatten es wirklich mit einer seltsamen Geschichte zu tun. Die Blicke beider blieben gleichzeitig auf den zwei kleinen, durchsichtigen Beweismitteltüten hängen, in denen je drei Kugeln lagen. Auf der einen stand »420315 Mats Persson 9. Nov. 1983« und auf der anderen »081002 Elof Persson 16. Sept. 1941«. Neben den Tüten lag die Tokarev.
Während sie sich mit dem Verschwinden von Mats Persson im November 1983 befasst hatten, war es den Ermittlern auch
geglückt, Einblick in die Dokumente aus dem Zweiten Weltkrieg zu erhalten. Davor hatte die Sicherheitspolizei die Papiere durchgesehen und war dann zu dem Schluss gekommen, dass kein Risiko damit verbunden war, einen Großteil der 42 Jahre alten Ermittlungsunterlagen zugänglich zu machen.
Kommissar Arne Carlsson, der für die Ermittlung verantwortlich gewesen war, hatte eine vorbildliche Zusammenfassung geschrieben, als die Suche 1985 abgeblasen worden war. Sven Andersson und Leif Fryxender hatten ebenfalls jeder eine Zusammenfassung verfasst, als sie den alten Fall wieder aufgerollt hatten. So dass sie jetzt ein recht deutliches Bild davon hatten, was in den Jahren 1941 und 1983 vorgefallen war.
Elof Persson war am 2. Oktober 1908 in Katrineholm zur Welt gekommen. Sein Vater war Bahnhofsvorsteher gewesen. Elof hatte sich ernsthaft überlegt, in seine Fußstapfen zu treten, da auch schon seine beiden älteren Brüder bei der Bahn arbeiteten.
Der junge Elof wünschte sich einen Beruf, bei dem er eine schicke Uniform tragen konnte. In Erwartung der Uniform verbrachte er seine Jugend dann in der Stückgutabfertigung des Katrineholmer Bahnhofs. Dort arbeitete er als Laufbursche und half beim Verladen. Mit achtzehn wurde er zum Militärdienst einberufen. Nachdem er sich bei seinem Grundwehrdienst hervorgetan hatte, schlug er die Offizierslaufbahn ein. Es gefiel ihm beim Militär, er sah aber recht bald ein, dass er es wegen seiner unzureichenden Schulbildung nie weiter als bis zum Feldwebel bringen würde. Weil sein Lehrer in der siebenjährigen Volksschule immer gesagt hatte, er eigne sich nicht für die Schule und könne sich nicht konzentrieren, hatte er gar nicht erst mit der Realschule angefangen. Als er von der Polizeischule in Stockholm aufgenommen wurde, reichte er seinen Abschied ein. Die Polizeischule beendete er dann als einer der Besten seines Jahrgangs.
Er machte rasch Karriere und war, als am 1. September 1939 der Krieg ausbrach, der jüngste stellvertretende Kommissar,
den es bei der Ordnungspolizei je gegeben hatte.
Weitere Kostenlose Bücher