Das brennende Gewand
neuen Erkenntnissen, und als sie geendet hatte, meinte ihre Schwester: »So hat die Verräterin also die ganze Zeit über unter euch gelebt. Sie muss ein großes Talent zur Verstellung haben.«
»Das hat sie gewiss. Ich habe inzwischen manches Mal darüber nachgedacht. Sie hat mich von ihrem einnehmenden, bescheidenen Wesen völlig überzeugt. Sie hat auch Meister Krudener geblendet, und erst, als ich sie wirklich wütend gemacht habe, fiel ihre Maske.«
»Sie wird leugnen und auch ihre Ankläger zu täuschen versuchen, Almut«, mahnte sie, genau wie auch die Meisterin. »Deinen Ivo wird sie zwar nicht mehr betören, aber bei den Schöffen und dem Inquisitor wird sie ihre Künste einsetzen. Ihr werdet etwas benötigen, was sie wirklich überführt.«
»Daran habe ich auch schon gedacht.«
»Die falschen Münzen sind in meinem Haus geblieben, und wenn sie nicht geschmolzen sind, haben die Plünderer sie inzwischen in den Fingern.«
»Du hast recht, Aziza. Die Morde hat Ramon begangen, und ihn haben wir auch beschuldigt, die Magd vergiftet zu haben. Den Brand hat Derich gelegt. Meinen Geist hat sie mit den toten Kindern zu verwirren versucht. Aber die Engelmacherin wird kaum gestehen, dass sie ihr die Leichen verkauft hat.«
»Sie muss sich selbst verraten.«
»Solange man sie nicht peinlich befragt, wird sie nichts zugeben, fürchte ich. Sie ist die Meisterin der Intrigen.« Almut blieb plötzlich stehen. »Nur die Pastetenbäckerin hat sie durchschaut. Sie behauptete, sie habe den bösen Blick. Ich habe sie deshalb streng gerügt, aber sie hatte sie als Einzige durchschaut, Aziza.«
»Almodis, eine Zaubersche?«
»Eine höchst gewitzte Frau, die sich mit den dunklen Mächten verbunden hat. Die Mittel und Wege gefunden hat, sich Schwächere zu Willen zu machen, durch Angst, Wollust und Täuschung.«
»Such nach Dingen, die ihre Teufelsbuhlschaft beweisen, Almut.«
»Aber was ist das, und wo soll ich suchen?«
Doch hier wusste auch Aziza keine Antwort, und gedankenversunken erreichten sie das Haus in der Mühlengasse.
Sie klopften an die Tür, und die Magd Anne öffnete ihnen. Mit säuerlicher Miene musterte sie Aziza, die noch nie ihr Wohlwollen gefunden hatte, führte die beiden Frauen jedoch umgehend zum Kontor, wo Frau Barbara eifrig Zahlen addierte.
Als Almut ihr die missliche Lage ihrer Schwester schilderte, nahm ihre Stiefmutter Aziza liebevoll in den Arm, und, wie erwartet, bot sie ihr Unterkunft und Kleidung an.
Erst zögernd, dann aber mit steigender Begeisterung wühlten die drei Frauen kurz darauf in den Kleiderkästen, und plötzlich hielt Aziza, ein köstliches, meerblaues Gewand in den Händen, inne.
»Wie lange hat sie bei euch im Konvent gewohnt?«
»Seit über zwei Wochen. Warum?«
»Hat sie immer dasselbe Kleid getragen?«
»Nein. Zum Kirchgang trug sie ein schwarzes Gewand... Ah, ich weiß, was du meinst. Sie hat eine Truhe in ihre Kammer bringen lassen.«
»Sie benötigte Verkleidung, Geld, Hilfsmittel. Ist die Truhe noch dort?«
»Vermutlich. Ich nehme auch an, dass sie in Ramons Wohnung weitere Besitztümer untergestellt hat.«
»Untersuche sie, Schwester. Diejenigen, die sich der Macht Satans verschrieben haben, beten seine Zeichen ebenso an wie die Frommen das Kreuz.«
Almut schauderte es, aber sie bewunderte die Schlussfolgerung Azizas.
»Talismane, Zaubersprüche, Dämonensiegel - du hast recht. Ich glaube, Aziza, ich werde jetzt aufbrechen. Ich habe noch etwas zu tun.«
Anne, die Magd, trug den Beutel mit zwei Gewändern aus Frau Barbaras Truhe und begleitete Almut zum Eigelstein. Doch nörgelte sie den ganzen Weg darüber, dass sie die maurische Hure wieder einmal in ihr christliches Elternhaus gebracht hatte.
Im Konvent angekommen, begab sich Almut sofort in das Pförtnerhaus, das die Edle von Bilk bewohnt hatte. Die Kammer war aufgeräumt, doch die Truhe, die Almodis mitgebracht hatte, stand noch in der Ecke. Kurz zögerte sie, sich an dem fremden Eigentum zu vergreifen, dann aber klappte sie resolut den Deckel auf.
Zwei schlichte Kleider fanden sich, einfache Leinenschleier, ein Unterkleid. Dazwischen ein Beutel mit Münzen. Ob sie echt oder gefälscht waren, würde ihr Aziza verraten können. Was sie ebenfalls fand, waren zwei Päckchen mit Pulver und einige Phiolen mit Flüssigkeiten. Elsa mochte ihr hierbei weiterhelfen, aber Almut vermutete stark, dass es sich um Gifte oder betäubende Mittel handelte. Trotzdem war sie enttäuscht, diese Dinge waren nicht
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