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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Kopf und betrachtete die Gefesselte stumm. Es lag Verachtung in Almodis’ Zügen, Gehässigkeit und Tücke. Ihr Blick war tatsächlich böse. Doch Almut hielt ihm stand. Ihre Hand umschloss noch immer die Träne Mariens. Die Flammen zuckten unruhig über Almodis, und sie erschien ihr in immer neuen, anderen Gesichtern. Sie sah die zurückhaltende Witwe in ihr und die fluchende Verräterin, sie sah die hinreißende Schönheit ihrer frühen Jahre, die Ivo betört hatte. Sie sah die Klugheit, die Krudener bewundert hatte, und die Kaltblütigkeit, die sie zur Mörderin gemacht hatte. Unter ihrem Blick wandelte sich Almodis wieder und wieder, und ihre Augen begannen zu flackern.
    »Ihr habt den falschen Weg gewählt, Almodis. ›Süß wie Honigseim sind die Lippen der Heuchlerin, und ihre Kehle glatter als Öl. Hernach aber ist sie bitterer als Wermut und scharf wie ein zweischneidiges Schwert. Ihre Füße laufen zum Tode hinab, ihre Schritte führen in die Hölle.‹ Dort, wo Euer Meister, den Ihr verehrt, auf Euch wartet.«
    Almut riss ihr mit kalter Wut das Gewand am Hals auf und zog das Amulett hervor, das Almodis unter ihren Kleidern verbarg.
    Deren Verfluchungen gellten durch die Katakomben.
    Doch schon tauchte die weiße Kutte des Dominikaners an dem Sarkophag auf, in dem sie lag.
    Almodis verstummte.
    Er betrachtete das runde Siegel zwischen ihren bloßen Brüsten. Der Fünfstern, der über einem gehörnten Bockskopf gezeichnet war, schimmerte böse.
    »Teufelsbuhle!«, stellte der Pater trocken fest. Dann drehte er sich zu Ivo vom Spiegel um. »Eurer Anklage wird stattgegeben.«
    Almut sah die nackte Angst in Almodis’ Gesicht. Dann aber hatten die Büttel sie schon hochgezerrt und auf die Füße gestellt.
    »Ivo vom Spiegel. Herr«, keuchte sie, »Gnade.«
    Die Gewappneten lösten die Bande um ihre Füße und stießen sie die Treppe hoch. Die Männer und Almut folgten ihnen.
    Im hellen Licht des Labors musste Almut blinzeln. Der Schöffe sagte etwas zu Krudener, was sie nicht verstand. Almodis schluchzte rau. Der Dominikaner machte Anstalten, die Apotheke zu verlassen, als Ivo vom Spiegel befahl: »Halt!«
    Alle drehten sich zu ihm um.
    »Almodis Rodriguez de Castra hat um Gnade gebeten. Ich habe sie angeklagt. Diese Begine an meiner Seite aber hat zuzeiten das bessere Urteil bewiesen als ich. Ich bitte Euch, ihre Stimme zu hören.«
    Einen Moment war Almut verblüfft, dann erinnerte sie sich. Einst war er unbarmherzig gewesen, und sie hatte seinen harten Schuldspruch mildern können.
    Sie maß Almodis mit langem Blick, dann den Mann neben sich. Sie sah den bitteren Pater, den sie vor über einem Jahr getroffen hatte, sie sah den halb zu Tode geprügelten Mann in den Kellern des Klosters, sie sah die unsagbare Verzweiflung, die ihn zur Einmauerung veranlasst hatte.
    Sie befragte ihr Gewissen.
    Maria befragte sie nicht.
    »Herr, der Einzige, der Barmherzigkeit walten lassen kann, seid Ihr. Denn Ihr wart ihr einst zugetan.«
    Auch der Herr vom Spiegel maß Almodis lange. Dann reichte er Almut den Arm, und sie legte ihre Rechte auf die schwarze Seide seines Ärmels.
    Wortlos geleitete er sie hinaus.
     
    Sie hatten den ganzen Weg über geschwiegen, aber als wäre es eine Selbstverständlichkeit, betraten sie das Haus am Alter Markt, und Almut folgte Ivo in das Turmzimmer.
    Hier setzte er sich mit müder Bewegung in den Sessel.
    Sie kniete sich auf ein Polster zu seinen Füßen und lehnte ihren Kopf an sein Knie.
    »Sie wird brennen«, erklärte er rau.
    »Das ist die Strafe für die Teufelskünste. Und Mord. Und viele andere ihrer Vergehen.« Almut sah zu ihm hoch und sah die Qual in seinem Gesicht. »Ivo, nicht Ihr habt sie gerichtet, sie hat sich selbst gerichtet.«
    »Sie hatte alles im Übermaß. Schönheit, Geist, Leidenschaft und Macht über die Menschen.« Er rieb sich mit den Händen über das Gesicht und atmete tief ein. »Es war ihr nicht genug.«
    Ein hässlicher kleiner Wurm begann an Almuts Herz zu nagen, und erbittert fragte sie sich, ob es ein letzter böser Zauber war, den Almodis über sie geworfen hatte. Er nagte und nagte und biss sich durch ihre Kehle, und als er ihre Zunge erreicht hatte, trat er hervor, und leise formten sich die Worte: »Ihr liebt sie noch immer, ist es das?«
    Mit einem Ruck richtete sich der Herr vom Spiegel auf und grollte mit blitzenden Augen: »Liebe? Nie, Weib, liebte ich sie. Wollust und Begierde verbanden uns, Leidenschaft hat mich einst fast um den Verstand

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