Das brennende Gewand
Schwester hörig. Es würde ihn auf anderem Weg in unsere Hände liefern. Tut also, wie geplant.«
»Und nehmt Fredegar mit. Er ist jung, geübt im Reiten und Fechten - und er neidet Pitter gewiss den gestrigen Abend«, schlug Almut vor.
Leon schüttelte den Kopf, aber Hardwin lächelte.
»Wir werden es tun, Herrin. Die jungen Männer haben sich ihr Abenteuer verdient.«
»Aber was wird nun mit Almodis geschehen, Herr?«
»Ich werde sie aufsuchen.«
»Ist das klug?«
»Ich werde mich nicht länger in diesem Turm verbergen. Aber bevor ich mit ihr spreche, werde ich mich mit Hilger von der Stesse und Pater Aegidius vanme Tempel aufsuchen.«
»Herr?«
»Neugieriges Weib! Hilger ist Schöffe, Pater Aegidius Dominikaner.«
»Ich möchte Euch begleiten - nein, nicht zu den hohen Herren, sondern zu Meister Krudener.«
»Nein.«
»Doch, Herr. Habe ich nicht ein Recht dazu?«
»Nein. Bringt Eure Schwester zu Euren Eltern. Und kehrt meinethalben anschließend zum Konvent zurück. Haltet Euch von der Verräterin fern.«
»Wie ihr wünscht, Herr«, gab Almut demütig nach und faltete die Hände im Schoß.
»›Lügenmäuler sind dem Herrn ein Gräuel; die aber getreulich handeln, gefallen ihm‹«, knurrte der Herr vom Spiegel sie an.
Sie blickte zu ihm auf und nickte verständig. »›Das Drohen des Königs ist wie das Brüllen eines Löwen.‹«
»Nur Brüllen, Weib? Unterstellt Ihr mir stumpfe Zähne?«
»Niemals, Herr. Werdet Ihr mich beißen, wenn ich ungehorsam bin?«
Bedauerlicherweise betrachtete der Herr vom Spiegel das ungehorsame Weib, als begehre er es auf der Stelle zu verspeisen, und die beiden Besucher hatten Mühe, ihr Lachen hinter einem auffälligen Gehüstel zu verbergen.
»Also gut, ich hole Euch im Konvent ab. Aber geht nicht alleine zur Apotheke. Versprecht es mir.«
»Das tue ich.«
»Dann wollen wir mit unserem Tagwerk beginnen.« Hardwin begleitete Almut zum Eigelstein, und dort klopfte sie umgehend an die Tür der Meisterin. Magda hörte sich die kurze Zusammenfassung der Ereignisse an und fragte nüchtern nach ihrem weiteren Vorhaben.
»Wenn Ihr Aussagen gegen diese Verbrecherin braucht, bin ich bereit, Zeugnis zu geben. Und mein Bruder auch«, sagte sie grimmig. »Ich habe mich mit Elsa und Gertrud über die toten Kinder unterhalten, und Elsa wusste den Namen einer Hebamme, die möglicherweise in diese Sache verstrickt sein könnte. Wenn nötig, wird man sie benennen können.«
»Ein weiterer Beweis wird nicht schaden.«
»Ich mache mir Vorwürfe, dass ich sie nicht durchschaut habe.«
»Keiner von uns tat das. Es ist schwer, so viel Bosheit zu vermuten, Magda.«
»Das ist wahr. Hüte dich vor ihr, selbst wenn sie gefesselt ist. Ich hoffe, dein Ivo hat gute Argumente, sodass sie der gerechten Strafe nicht entkommt.«
»Er hat lange Zeit gehabt, seine Anklage zu formulieren.«
»Ja, das hat er wohl.«
»Ich würde nun gerne Aziza zu meiner Mutter bringen, Magda. Ist sie in der Lage dazu?«
»Sie grämt sich noch um ihre Haare, aber sie hat neuen Mut gefasst. Allerdings«, die Meisterin schmunzelte, »die Kleider, die wir ihr geben konnten, fanden nicht ihre größte Zustimmung.«
So war es denn auch. Almut traf sie bei den Seidweberinnen an, denen sie half, die Kettfäden eines Webstuhls zu richten. Das schlichte Beginengrau konnte die Schönheit ihrer Schwester zwar nicht mindern, aber ihr schiefes Lächeln, als sie Almut erblickte, die ihre glänzenden rotbraunen Haare noch immer unbedeckt trug, sprach mehr als alle Worte.
»So haben wir denn offenbar die Rollen vertauscht, Schwester. Ich bin die mittellose, keusch verhüllte Magd, und du das blühende, lockere Weib.«
»Frau Barbara hat gefüllte Truhen, es wird dir nicht schwerfallen, darin eine angemessene Ausstattung zu finden.«
»Das kann ich nicht annehmen. Aber ich werde selbst für mich zu sorgen wissen.«
»Oh, ich werde es schamlos ausnutzen, ihre Kisten und Kästen zu plündern. Aziza, wir tun ihr einen großen Gefallen damit. Denn jedes Kleid, das sie fortgibt, gilt ihr als Rechtfertigung dafür, sich ein neues fertigen zu lassen. Unser Vater kann es sich dank ihres umsichtigen Wirtschaftens leisten, das zu bezahlen.«
Aziza nickte und legte die Seidennocken zurück in den Korb. Irma übernahm mit einem leisen Dank die weitere Arbeit am Webstuhl.
»Machen wir uns auf den Weg.«
Während sie durch die mittäglich belebten Straßen zum anderen Ende der Stadt wanderten, berichtete Almut Aziza von ihren
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