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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Werkstätten sich im ebenerdigen Bereich befanden, hatte Aziza einen wohnlichen Raum eingerichtet. Zwar brannte in dem großen Kamin heute kein Feuer, aber in breiten Messingschalen lagen die Blätter von duftenden Kräutern und Blumen. Ein üppiger Bund frühblühender Hagrosen und Ginster stand auf dem Kaminsims. Auf dem Tisch luden ein Korb mit Pasteten und eine Karaffe mit goldenem Wein zur Stärkung ein.
    »Nimm Platz und iss mit mir«, forderte Aziza Almut auf, und mit einem leisen Seufzer nahm diese das Angebot an. Sie war hungrig geworden, denn tags zuvor hatten ihr die Neuigkeiten den Appetit verdorben, und an diesem Morgen hatte ihr Gertruds Grütze auch nicht schmecken wollen.
    »Danke«, sagte sie und biss in die Pastete, deren Füllung aus reich gewürztem Hackfleisch bestand.
    »Dein Pater hat sich in Schwierigkeiten gebracht, hörte ich munkeln«, eröffnete ihre Schwester das Gespräch.
    »Er hat sich nicht, sondern er wurde und wird in Schwierigkeiten gebracht.«
    »Kann man so oder so sehen. Er hat ein Talent, Schwierigkeiten anzuziehen, könnte man meinen. Umgänglich wie er ist.«
    »Er hat, und das weißt du ganz genau, den Schreinemaker nicht umgebracht.«
    »Nein, hat er nicht. Aber er hat auch nichts dazu getan, ihn der Morde an den Jungfern anzuklagen, sondern ihr habt die ganze Sache geheim gehalten. Um die Pastetenbäckerin und ihren Sohn zu schonen und den Verdacht von Esteban abzuwenden. Ja, ja, ich weiß, Almut, es war großmütig gedacht, aber Großmut kann auch gefährlich sein. Wie dem auch sei, er steckt tief im Ungemach, und du willst ihm helfen.«
    »Natürlich.«
    »Die einfachste Lösung wäre, wenn er mit dir zusammen die Stadt verließe.«
    Fassungslos ließ Almut die Pastete sinken.
    »Ah pffft! Warum nicht?«
    »Ich glaube, das wäre ihm schlicht unmöglich.«
    »Mhm - ja, vermutlich. Er ist nicht der Mann, der sich durch Flucht entzieht. Schrecklich, diese konsequenten und pflichtgetreuen Menschen. Also, wie willst du ihn aus dem Sumpf ziehen, meine keusche Schwester?«
    »Mit deiner Hilfe.«
    »Ich kann dir nicht helfen. Ich weiß nichts über ihn, und Esteban ist seit Tagen fort, falls du daran denken solltest.«
    »Ich weiß. Aber jemand gräbt diesen alten Unrat aus und versucht, ihn damit zu belasten. Ein schöner, schwarzhaariger Herr, wie man hört.«
    »Hört man. Ja und?«
    »Leon de Lambrays ist wieder in der Stadt. Hört man ebenso.«
    »Und?«
    »Man hört auch, dass dein dunkler Freund Haare wie ein Rabe haben soll, Aziza.«
    Aziza nippte an ihrem Becher und sah Almut mit flatternden Lidern an. Sie war eine schöne Frau, deren große dunkle Augen Erbe ihrer maurischen Mutter waren, ebenso wie das prachtvolle schwarze Haar, das sich in einer Lockenflut über ihren Rücken ergoss. Eine Antwort auf Almuts Frage gab sie nicht, doch um ihre Lippen spielte ein verträumtes Lächeln.
    »Ist es Leon de Lambrays?«
    »Aber, aber Schwester! Du weißt doch, dass ich über die wirklich wichtigen Männer in meinem Leben nicht spreche.«
    »Aber du weißt, wer Leon ist?«
    »Ein Mann, dem wir im vergangenen Jahr bei einem höchst verwerflichen Tavernenbesuch begegnet sind?«
    »Eben der. Er ist Ivo vom Spiegels Sohn.«
    »Na, welch eine Überraschung aber auch! Der gestrenge Pater ist gestrauchelt? Spielt das jetzt ebenfalls eine Rolle?«
    »Nein. Aber ein Mann mit Leons Aussehen scheint derjenige zu sein, der ihm diese Schwierigkeiten macht. Sollte - nur mal angenommen - der schöne Schwarzhaarige, mit dem man dich gesehen hat, jener Leon sein, dann flehe ich dich an, Aziza, schicke ihn zu mir oder zu Gauwin vom Spiegel.«
    Ein weiterer wimpernflatternder Blick war die Antwort darauf, und Almut wischte sich enttäuscht die Krümel von den Fingern. Sie würde nicht mehr erhalten. Also versuchte sie es mit einem anderen Thema.
    »Wer kennt sich in den Gängen unter der Stadt aus - neben Esteban?«
    Nun wurde Azizas Gesicht von Abscheu überzogen.
    »Unterstellst du mir etwa Verbindungen zu dem Geschleim?«
    »Nein. Aber du hörst mehr und anderes als ich, meine unkeusche Schwester.«
    »Ich weiß darüber genauso viel wie du. Es gibt sie. Man meidet sie.« Dann aber schüttelte sie betrübt den Kopf. »Ihr habt wirklich Mist gemacht, Almut, wenn sich da tatsächlich jemand aus diesem Gelichter einmischt. Frag die Gassenjungen. Pitter und seine Freunde. Es ist nicht auszuschließen, dass von denen jemand mehr über sie weiß.«
    Almut nahm sich noch eine Pastete und verzehrte

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