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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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ihrem Haus. Vor der Kammer bat Almut sie: »Geh du zuerst hinein. Ich ertrage es nicht.«
    »Was werde ich finden?«
    »Eine... eine Frühgeburt.«
    Gertrud brummte unwillig, öffnete die Tür und sah sich um.
    »Hier ist nichts, Almut. Komm her. Wo willst du es gesehen haben?«
    »Mitten auf dem Bett.«
    Mit kritischen Augen prüfte die Köchin die gesamte Decke.
    »Nichts, Almut.«
    »Ich bilde es mir ein?«
    »Entweder spielt dir dein Hirn Streiche oder ein Mensch.«
    Erschöpft ließ Almut sich auf ihrem Stuhl nieder und betrachtete ihre Madonnenfigur.
    »Wer täte so etwas und warum?«
    »Es ist nicht ganz so schwer, über die Mauer in den Hof zu klettern und, während alle im Refektorium speisen, in dein Zimmer zu gehen. Aber das Warum kann ich dir nicht beantworten. Andererseits - Almut?«
    Der fragende Ton ließ Almut hochblicken.
    »Du und dein Pater - Ihr seid euch sehr nahe gekommen. Könnte es sein, dass du schwanger bist?«
    Es war nur ein kurzes Schnauben, das Almut von sich gab.
    »Da kennst du den Herrn vom Spiegel aber schlecht. Gut, es war nicht nur ein Bejingebützchen 1 , aber um ein Kind zu zeugen, braucht es doch etwas mehr.«
    »Aber dein Wunsch nach einem Kind ist seither sehr viel größer geworden«, stellte Gertrud nüchtern fast. »Darum glaube ich nicht an einen grauenvollen Schabernack, sondern eine Wirrnis deines Geistes. Sie wird sich legen, Almut, wenn sich deine Sorgen geklärt haben. Du bist ein vernünftiges Weib. Jetzt hole ich dir von Elsa Baldriantinktur und bringe dir einen Becher heiße Milch mit Honig. Und dann wirst du schlafen. Und morgen arbeiten. Beides hilft.«
    »Ja, Gertrud. Danke.«

19. Kapitel
    Pater Ivo hatte die Tröstung von Honigmilch und Baldrian nicht genossen und wälzte sich schlaflos auf seinem Lager. Wann immer er einnickte, vermeinte er die Begine leise seinen Namen rufen zu hören, und krümmte sich, wie von heftigen Leibschmerzen gefoltert, zusammen. Am Vortag war sie hier gewesen, hatte in der Tür gestanden und ihn gebeten, mit ihr zu sprechen. Es hatte ihn mehr als Selbstbeherrschung gekostet, starr und stumm am Betpult zu knien und die Psalmen zu memorieren. Nun zerriss es ihm das Herz, und erstmals in seinem Leben wünschte er sich, eine Geißel zur Hand zu haben, um mit den beißenden Schmerzen auf seinem Rücken die schier unerträglichen in seinem Inneren zu betäuben. Es war ihm nicht vergönnt, genauso wenig wie das Fasten. Und doch sehnte er sich danach, in die durch Entbehrung verursachte Dunkelheit entgleiten zu können, die ihn durch die stumme Schwärze erlösen würde. Bald würde er dieser letzten Tröstung entgegendämmern und der Weg seiner Leiden zu Ende sein.
    Doch vorher galt es den Versuchungen zu widerstehen. Nein, er durfte weder kämpfen noch fliehen, und das verursachte seiner wehrhaften Natur die größte Pein. Aber die Lage war aussichtslos und der eingeschlagene Weg richtig. Denn nur wenn er aus diesem Leben schied, konnten andere unbehelligt weiterleben.
    Er wusste mehr als Theodoricus. Er hatte geschwiegen, damit nicht auch sein Freund, der Abt, in Gewissensnöte kam. Selbstverständlich war Ivo vom Spiegel klar, dass hinter den Zufällen der letzten Tage ein Drahtzieher stand, der geschickt sein Wissen, seinen Einfluss, die Unfälle oder Verbrechen gegen ihn einsetzte. Er hatte sogar eine recht gute Vorstellung, in welchen Kreisen er zu suchen war. Denn einst, in Sankt Gallen, als man ihn der Ketzerei überführte, hatte er sich Feinde in höchsten Kreisen gemacht. Männer, die ihn vernichtet sehen wollten, weil er ihre Machenschaften angeprangert hatte. Männer, die untätig zusehen mussten, wie seine Mutter rücksichtslos und höchst wirkungsvoll ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu Engelbert von der Mark, dem Kölner Erzbischof, ausgenutzt hatte, um seine Verurteilung zum Scheiterhaufen abzuwenden. Jene Kleriker hatten in den vergangenen Jahren an Macht und Einfluss gewonnen, und der - wie er selbst zu gut wusste - bestecherische Handel um seinen Dispens musste sie zu schallendem Gelächter gereizt haben. Sie hatte Geld und Güter genommen, aber dem derzeitigen, leicht beeinflussbaren Erzbischof Friederich von Saarwerden nahegelegt, die Auflösung seiner Ordensgelübde zu verweigern. Aus diesen Fesseln würde er sich nie befreien können, und die Anklagen weltlicher Vergehen forderten sogar noch strengere disziplinarische Maßnahmen. Die Inquisition würde sich seiner annehmen, und wie die arbeitete, hatte er zur

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